«Mir scheint, eine grosse Freundschaft zwischen zwei Frauen ist Liebe». Möglichkeitsräume frauenliebender Freundinnen in der Schweiz im 19. und 20. Jahrhundert

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei mikrohistorische Fallstudien. Darin werden insgesamt sechs frauenliebende Freundinnenpaare in der Schweiz in der zweiten Hälfte des 19. und im 20. Jahrhundert untersucht. Die untersuchten Freundinnenpaare stammen grösstenteils aus dem Bürgertum, sind zumeist der Frauenbewegung zuzuordnen oder stehen ihr nahe und zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie der jeweiligen Freundin ein Leben lang in inniger Liebe ver-bunden waren. Die Arbeit legt dabei besonderes Augenmerk auf die Untersuchung der Beziehungsform Freundschaft: Diese stellte in ihrer Uneindeutigkeit für die frauenliebenden Freundinnen einen Möglichkeitsraum für gleichgeschlechtliche Liebe und homosexuelles Begehren dar. Diese Form von Freundschaft hielt sich dabei parallel und teilweise in Abgrenzung zu einer als pathologisierend wahrge-nommenen, lesbischen sexuellen Identität bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Im Anschluss an Michel Foucaults Überlegungen zur «Freundschaft als Lebensform» wird die These vertreten, dass die Freundschaft nicht nur die Liebe zwischen den Frauen, sondern auch ein selbstbestimmtes Leben und eine Subjektivität jenseits bürgerlich-männlicher Subjektivierungsweisen ermöglichte.