Der kurzfristige Einfluss eines individuell zugeschnittenen Bewegungscoachings auf die Herzfrequenzvariabilität von stationären Patienten mit MDD

Hintergrund: Die Depression (engl. MDD; major depressive disorder) gilt weltweit als eine der häufigsten psychischen Beeinträchtigungen unabhängig von Alter, Geschlecht oder ethnischem Hintergrund. Depressionen sind verbunden mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und beeinträchtigen die autonome Funktion des parasympathischen Nervensystems. Die Herzfrequenzvariabilität (HRV) gilt als Marker für die autonome Funktion und hat eine hohe prognostische Aussagekraft für den Gesundheitszustand. Hohe HRV Werte stehen für ein anpassungsfähiges gesundes Individuum, während eine niedrige HRV das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, depressive Symptomatik und die Gesamtmortalität erhöht. Körperliche Aktivität hat einen positiven Einfluss auf die autonome Funktion und kann die HRV erhöhen. Ziel dieser Arbeit ist es, den kurzfristigen Einfluss eines individuell zugeschnittenen Bewegungscoachings auf die Herzfrequenzvariabilität von stationären Patienten mit MDD zu untersuchen.
Methode: Die HRV-Parameter von 231 stationären Patienten mit MDD wurden zum Zeitpunkt Baseline mit den HRV-Parametern einer gesunden Kontrollgruppe (N = 150) verglichen. Die Gruppenunterschiede wurden anhand eines T-Tests für unabhängige Variablen untersucht. Die Patientenpopulation wurde zudem randomisiert in eine der folgenden Gruppen aufgeteilt: A) Kontrollgruppe mit schriftlicher Empfehlung für körperliche Aktivität oder B) Interventionsgruppe mit individuell zugeschnittenem Bewegungsprogramm. Die Intervention zwischen Baseline- und Postmessung dauerte 6 Wochen. Die HRV wurde jeweils nach einer 5-minütigen Ruhepause mit Hilfe des Herzfrequenzmessgeräts Polar V800 während 5 Minuten gemessen. Es wurden die HRV-Parameter SDNN, RMSSD, LF, HF, LF/HF Ratio und HR gemessen. Die Gruppenunterschiede wurden anhand einer Kovarianzanalyse (ANCOVA) mit linearem Modell zum Zeitpunkt Post untersucht.
Ergebnisse: Im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe konnten bei den Patienten signifikant verringerte HRV-Parameter (SDNN, RMSSD, HR) nachgewiesen werden. Zum Zeitpunkt Post konnten innerhalb der Patientenpopulation keine signifikanten Unterschiede zwischen den HRV-Parametern der Interventions- und der Kontrollgruppe festgestellt werden. Auch wenn die Unterschiede nicht signifikant sind, zeigt die Intervention bei der SDNN (Interventionsgruppe: MD = 2.401, Kontrollgruppe: MD = -3.781) und RMSSD (Interventionsgruppe: MD = 1.445, Kontrollgruppe: MD = 0.327) interessante Veränderungen. Somit konnte dem individuell zugeschnittenen Bewegungscoaching innerhalb der 6-wöchigen Intervention zwar keine signifikante Wirkung auf die Herzfrequenzvariabilität nachgewiesen werden, jedoch zeigt die Intervention durchaus vielversprechende Ansätze. Schlussfolgerung: Auch wenn das individuelle Bewegungscoaching in diesem Fall nicht zu einer signifikanten Verbesserung der HRV bei stationären Patienten mit MDD geführt hat, wurde in anderen vergleichbaren Studien mit längeren Interventionsphasen gezeigt, dass körperliche Aktivität bei Patienten mit MDD zu einer Verbesserung der autonomen Funktion und der HRV führt. Die Untersuchungen legen also nahe, dass zukünftige Studien durchaus an der positiven Wirkung von körperlicher Aktivität auf die HRV bei depressiven Patienten anknüpfen sollen, jedoch die Interventionszeit dabei eine entscheidende Rolle spielen kann.