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«Ein Kulturwerk von hervorragender Bedeutung...» - Eine Untersuchung der diskursiven und fotografischen Darstellungsweisen des Baus des Wasserkraftwerks Laufenburg (1908-1914)

Stocker, Susanne. «Ein Kulturwerk von hervorragender Bedeutung...» - Eine Untersuchung der diskursiven und fotografischen Darstellungsweisen des Baus des Wasserkraftwerks Laufenburg (1908-1914). 2009, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

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Official URL: https://edoc.unibas.ch/60648/

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Abstract

Bis anhin wurde die Geschichte des Wasserkraftwerks Laufenburg vor allem unter dem Aspekt der technischen «Pionierleistung» geschrieben. In dieser Lizentiatsarbeit wird davon mehrheitlich abgesehen und eine Technikgeschichte bevorzugt, die eng an sozial- und raumgeschichtliche Fragen geknüpft ist und auch ästhetische Aspekte berücksichtigt. Technik steht nicht einfach für sich, sondern ist Resultat gesellschaftlicher (wirtschaftlicher) Interessen, die auch im vorliegenden Fall zu Tage traten. Die Fotografien des Kraftwerkbaus stellen dabei ein wichtiges Medium für die Erfassung der damaligen Technikrezeption dar. Der damals in Laufenburg ansässige Fotograf Adolf Scholl wurde vom Baukonsortium damit beauftragt, die Bauarbeiten am Wasserkraftwerk möglichst detailliert festzuhalten. Erhalten ist ein Fotobestand von 1500 Motiven auf (Negativ-)Glasplatten, der vom «Museum Schiff» im Auftrag des Kraftwerks in Laufenburg digitalisiert und archiviert wurde. Rund 800 dieser Motive waren als Positivabzüge in drei Alben vorzufinden. Für die Lizentiatsarbeit wurden aus diesem Positivbestand wiederum vierzig Fotografien ausgesucht, welche die Quellenbasis für die Untersuchung darstellen. Die Betrachtung der Bilder und die Erkenntnis, dass die historische Baufotografie (anders als die Industrie- oder Architekturfotografie) nicht den fertigen Bau, sondern dessen Entstehung dokumentieren, führten zu den Frage, welche Diskurse während der Planungsphase des Kraftwerks aktiv waren, und durch welche sie in der Bauphase abgelöst wurden.Im Vorfeld des Baus stand das Zeitalter der so genannten zweiten Industriellen Revolution und damit der Elektrizität. Skepsis gegenüber der neuen Technik war zu Beginn zwar vorhanden, doch setzte sich die Entwicklung der Generierung von elektrischem Strom durch Wasserkraft bald durch und wurde zu einer eigentlichen Erfolgsgeschichte in der Schweiz. Dafür gab es verschiedene Gründe: Die Schweiz sollte unabhängiger von ausländischen Stromlieferanten werden, was mit den einheimischen Wasserkraftwerken möglich wurde. Zugleich wurde die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gefördert, denn die neue Energie machte neue Innovationen möglich (Lampen, Kabel, Turbinen). Die Meinungsbildung gegenüber der Elektrizität wurde vor allem in den Landesausstellungen positiv beeinflusst und führte zu einer schrittweisen Akzeptanz der neuen Licht- und Kraftquelle. Dennoch regte sich im Fall des Projektes zum Bau eines Wasserkraftwerks am Rhein bei Laufenburg bald Widerstand. Der so genannte Laufen, eine Folge von mehreren Wasserfällen und somit Naturspektakel, sollte bei den Bauarbeiten gesprengt und eingeebnet werden, was vor allem die Anhänger der neu aufkommenden Heimatschutzbewegung empörte. Die Befürworter wiederum sahen im Bau die Chance eines wirtschaftlichen Aufschwungs für die Region. Während Paul Schultze-Naumburg, Vorsitzender des deutschen Bund Heimatschutz, die Vernichtung eines der schönsten Landschaftsbilder der Welt befürchtete, verwendete der Ingenieur Alexander Trautweiler konsequent Natursymboliken, die das Bild eines blühenden, kapitalistischen Systems zeichnen.Das Verhältnis von Natur und Technik sollte sich auch in der anschliessenden Diskussion um architektonische Gestaltung der neuen Brücke und des Hauptgebäudes des Kraftwerks als zentral erweisen. Mit seiner Umsetzung des «Heimatstils» war der Architekt Emil Faesch bestrebt, das Hauptgebäude und die dazugehörenden Trafostationen harmonisch in das Stadt- und Landschaftsbild einzufügen. Das Zusammenspiel von Natur und Architektur wird in den Fotografien sehr deutlich, indem konsequent die Umgebung in die Abbildungen der fertigen Gebäude miteinbezogen wird. Im Vergleich zu den Fotografien, die während der aktiven Bauphase entstanden, ist beiden gemeinsam, dass sie fast immer auf die Darstellung von Arbeitern verzichten. In vielen Fotografien der Innenräume des Schaltgebäudes sucht man vergeblich nach Personal. Diese Art der Inszenierung vermittelt den Eindruck, dass das Werk eine selbstständig funktionierende Kraftmaschine ist; die Interaktion zwischen Mensch und Maschine ist auf ein Minimum reduziert. Wo Arbeiter gezeigt werden, dienen sie zum Grössenvergleich oder als Hinweis auf die Funktionszusammenhänge des technischen Ensembles. Der Verzicht der konkreten Arbeitsdarstellung kann als ästhetisches Merkmal der Fotografien der Hauptbaustelle gesehen werden. Diesem Teil der Fotografien steht derjenige des Baus der neuen Brücke gegenüber, in welchem konsequent Arbeiter und Zuschauer miteinbezogen werden. Die Interaktion zwischen Mensch und Technik findet hier auf einer anderen Ebene statt; anders als in den Gruppenbildern der Hauptbaustelle stehen sich Mensch und Technik gleichwertig gegenüber. Daraus schliesst sich in der Arbeit, dass der Schauplatz der Baustelle einerseits technische Artefakte birgt, deren Zurschaustellung die symbolische Ebene für Dynamik, Fortschritt und Verkehr steht und für den Wunsch, dass das Kraftwerk die marktwirtschaftliche Attraktivität Laufenburgs steigern möge. Andererseits wird durch den Einbezug von Menschen in den Bildern die Prozesshaftigkeit dieser Entwicklungen festgehalten, die möglichst harmonisch und im Einklang mit der Umgebung von statten gehen soll.Die Fotografien sind integraler Bestandteil des technischen und architektonischen Diskurses, welcher eng an die Frage geknüpft ist, wie technische Neuerungen vermittelt wurden und welche Argumente man für den Baustil ins Feld führte. In Laufenburg mündete das Zusammentreffen von modernster Technik, Konservativismus und Reformbestreben in einen Kraftwerksbau, der nicht nur als Symbol des Kapitalismus zu sehen ist, sondern tatsächlich als vielfältiges Kulturwerk.
Dem Museum Schiff, Laufenburg danken wir sehr für die freundliche Erlaubnis zur Publikation der folgenden Fotographien. 
SLK_319: Neue Rheinbrücke, Lehrgerüst (ohne Datum)SLK_249: Turbinen-Kammer 10, 7.10.1911SLK_769: Verladen der Lokomotive von «Grün und Bilfinger» mit Turbinenkran von «Escher-Wyss», 19.12.1913SLK_1797: Schaltgebäude-Betätigungsraum, 6.3.1914
Advisors:Lengwiler, Martin
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Bereich Neuere und Neueste Geschichte > Neuere Allgemeine Geschichte (Lengwiler)
UniBasel Contributors:Lengwiler, Martin
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Master Thesis
Thesis no:UNSPECIFIED
Thesis status:Complete
Last Modified:05 Apr 2018 17:39
Deposited On:06 Feb 2018 11:29

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