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Die Rezeption der «Pille» in den Medien der Schweiz in den 1960er Jahren: Diskurse über Moral und Verhütung

Minder, Dorothee. Die Rezeption der «Pille» in den Medien der Schweiz in den 1960er Jahren: Diskurse über Moral und Verhütung. 2010, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

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Official URL: https://edoc.unibas.ch/60404/

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Abstract

Die Pille ist das erste sogenannte «live-style» Medikament, ein Medikament, das nicht zur Heilung einer Krankheit sondern zur Veränderung der Körperfunktionen dient und das nicht erfunden wurde, um eine Krankheit zu bekämpfen, sondern um die Fortpflanzung zu verhindern. Die Pille ist ein Medikament, das die Fruchtbarkeit als Zustand zu einer Möglichkeit macht, der «Zustand» der Fruchtbarkeit wird mit der Pille medikamentös unterbrochen. Die Veränderungen, die der Pille oftmals zugeschrieben werden sind allerdings in ihrer Ausschliesslichkeit übertrieben. Weder die sexuelle Revolution noch der Geburtenrückgang ist allein durch die Pille ausgelöst worden.Auch heute scheint kein anderes Verhütungsmittel mit der Pille konkurrieren zu können, sie ist allgegenwärtig. Versuche, andere, gleich sichere Verhütungsmittel zu entwickeln, werden kaum unternommen, Alternativen werden ausschliesslich an der Pille gemessen und negative Auswirkungen der Pille werden nicht thematisiert.Aus diesen Beobachtungen entstand die Frage, wie die Pille wohl aufgenommen wurde als sie frisch auf den Markt kam: Wurde über die Pille geschrieben? Wie wurde über das Thema Verhütung kommuniziert? Was wurde im Zusammenhang mit der Pille thematisiert, was nicht? Gab es kritische Stimmen?Um diese Fragen beantworten zu können, wurden die Printmedien in den 1960er Jahren untersucht. Die berücksichtigten Quellen stellen sich aus Zeitungsdossiers des Sozialarchivs Zürich und des schweizerischen Wirtschaftsarchivs Basel zusammen. Weiter wurden verschiedene Frauenzeitschriften nach Artikeln durchforstet, wobei die Annabelle sich als die einzige Frauenzeitschrift herauskristallisierte, die das Thema «Pille» regelmässig aufgriff.Die Pille wurde Anfangs der 1960er Jahren in den seriöseren Medien nur im Zusammenhang mit anderen Themen erwähnt – insbesondere Überbevölkerung und Abtreibung – Artikel über die Pille als solche gab es – ausser in der Annabelle – kaum.Im Diskurs der Medien über die Pille liessen sich zwei Haupthementstränge festmachen auf die in der Arbeit näher eingegangen wird – 1. Moral und Gesellschaft und 2. Diskurse um Pille, Gesundheit und Medizin.In «Moral und Gesellschaft» wird anhand der Quellen ein Bild der moralischen Vorstellungen gezeichnet, die zur Zeit des Aufkommens der Pille vorherrschte. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Medien erst durch die Enzyklika Humanae vitae von Papst Paul VI. über die Pille zu schreiben begannen: durch das klare Statement von Paul VI. gegen Verhütung – Paul VI. hatte die Pille im Speziellen nicht erwähnt – wurde es den Zeitungen möglich, die Pille zu kommentieren und zum Thema Verhütung überhaupt Stellung zu beziehen. Interessant ist hierbei, dass die Medien sehr selektiv über die Enzyklika berichteten und die Pille in diesem Zusammenhang fast immer thematisierten.Weiter wurde durch die Pille die Sexualität der Frauen verändert – die Jungfräulichkeit der Frau vor der Ehe konnte nicht mehr so leicht gefordert und argumentiert werden, da die Gefahr einer Schwangerschaft durch die Pille gebannt werden konnte. Somit wurde durch die Pille der Umgang mit Sexualität freier. Die vielbeschworene «sexuelle Befreiung» der Frauen ist allerdings kaum erreicht – schliesslich wurde nicht auf ihre sexuellen Bedürfnisse eingegangen, sondern lediglich technisch eine Angst vor Schwangerschaft genommen – was die Moral anbelangte, war man sich nicht einig.In den Diskursen um Pille, Gesundheit und Medizin brachten die Medien vorwiegend Artikel von Ärzten oder über Ärzte und Gesellschaften zur Familienplanung. Die Pille wurde als wissenschaftliche Errungenschaft dargestellt, ihre grosse Sicherheit wurde betont. Die positiven Voten der Mediziner überwogen, Nebenwirkungen wurden kaum erwähnt und wenn, dann höchstens die körperlichen Beschwerden. Der Diskurs um Pille Gesundheit und Medizin wurde in den Medien geführt, ohne dass «Konsumentinnen» zu Wort kamen.Der Umgang mit dem Thema Verhütung in der Presse wandelte sich infolge dieser Debatten in den 1960ern. Aus dem Tabuthema, das man allerhöchstens unter engen Vertrauten ansprach, wurde ein medizinisches Thema: der Arzt hatte plötzlich etwas zur Verhütung zu sagen – und wurde so zur Instanz, die ein unkompliziertes Verhüten mit der Pille ermöglichen, aber im Falle unverheirateter Frauen auch verhindern konnte. Die Berichterstattung über Verhütung und insbesondere die Pille wurde im Laufe der 1960er Jahre direkter; wo anfänglich noch über Abtreibungen geschrieben wurde, um dann die Pille erwähnen zu können, wurde die Pille später ausführlich beschrieben und besprochen.
Advisors:Wecker, Regina
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Frauen- und Geschlechtergeschichte (Wecker)
UniBasel Contributors:Wecker, Regina
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Master Thesis
Thesis no:UNSPECIFIED
Thesis status:Complete
Last Modified:05 Apr 2018 17:38
Deposited On:06 Feb 2018 11:27

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