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Wie funktioniert Familie?: Zur Geschichte eines Diskurses des 20. Jahrhunderts: Untersuchung anhand der Familienratgeber der Wochenzeitung «Brückenbauer» zwischen 1942 und 2000

Angehrn, Celine. Wie funktioniert Familie?: Zur Geschichte eines Diskurses des 20. Jahrhunderts: Untersuchung anhand der Familienratgeber der Wochenzeitung «Brückenbauer» zwischen 1942 und 2000. 2011, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

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Official URL: https://edoc.unibas.ch/59905/

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Abstract

Die Masterarbeit untersucht journalistische Familienratgeber der Schweizer Wochenzeitung «Brückenbauer» aus der Zeitspanne zwischen 1942 und 2000 und befragt diese auf ihre diskursive Konzeptualisierung des Beratungsgegenstandes «Familie». Im Zentrum steht die Frage, wie im seit 1942 vertriebenen Massenmedium über die Akteure der Familie (Vater, Mutter, Kind/er) und über die Handlungen und Emotionen, welche in Familien postuliert werden, gesprochen wurde. Die Arbeit möchte damit den Blick auf das Forschungsfeld Familie, das in Bezug auf das 20. Jahrhundert vor allem von der Soziologie, der Psychologie und den Erziehungswissenschaften bearbeitet wurde, unter einem pointiert diskursanalytisch-historischen Zugang erweitern.
Bis 1960 stand als zentrale affektive Basis der Familie die Ehebeziehung im Fokus der Familienratgeber. Eine glückliche, das hiess «harmonische» Ehe liess sich im Verständnis der Zeit nur durch «Arbeit an der Ehe», das bedeutete «tägliche persönliche Anstrengung, Selbstzucht und Selbstverzicht» erreichen. Diese Maximen wurden im Verlauf der Zeit durch radikale Gegenkonzepte abgelöst. Nicht nur stand spätestens seit 1980 mehr die Eltern-Kind-Beziehung als die Paarbeziehung im Vordergrund; auch der Massstab der «Harmonie» wurde durch das Leitbild einer offenen und konfrontativen Gesprächskultur und Auseinandersetzung ersetzt.
Ab etwa 1960 geriet die Eindeutigkeit und Stabilität der Konzeptualisierung von Familie ins Wanken, was sich in der Auflösung von einheitlich und wiederkehrend gebrauchten Motiven und Termini («Hausfrau», «Ehefrau», «Ehemann», «Ehe» und «Haushalt(en)») niederschlug. Auf die Diskrepanz, die aus der Gleichzeitigkeit von Traditionalisierungs- und Enttraditionalisierungselementen entstand, fanden die Familienratgeber zwischen 1975 und 1985 erste Antworten sowohl in der ironischen Darstellung der Institution Ehe als auch in Form von Rechtsratgebern. Während die ironische Sprache harmlos, aber beharrlich das weibliche Unterordnungsverhältnis in der Ehe infrage stellte, gelang es mittels der Rechtsratgeber, neue und heikle Themen pragmatisch und urteilsfrei anzugehen (Scheidung, uneheliche Kinder, Wiederverheiratung usw.).
In der zweiten Hälfte der 80er-Jahre begann sich das Familienkonzept in den Ratgebern erneut zu festigen, allerdings unter neuen Vorzeichen. An die Stelle der Ratschläge für partikulare Beziehungsformen wie zwischen Tochter und Mutter oder Ehefrau und Ehemann traten Handlungsanleitungen, die für das Zusammenleben in der Familie in einem universalen Sinn Gültigkeit beanspruchten. Der oberste Grundsatz der Ratgeber fand seinen Ausdruck in der Devise des «miteinander Sprechens». Gerade die intensive Auseinandersetzung und die Konflikte zwischen den Familienmitgliedern erschienen als Charakteristika familienspezifischer Näheverhältnisse.
Die Zurückdimensionierung des Rollenaspekts im Sprechen über Familie brachte eine Verwässerung bzw. Tabuisierung des Sprechens über Geschlechterrollen mit sich. Fernab der historischen Realität, aber im Sinne von politischer Korrektheit wurde seit den 1990er-Jahren so zum Beispiel gerne von «Hausmännern und Hausfrauen» gesprochen. Während die Eltern-Kind-Beziehung zum Merkmal des Lebensstils Familie avancierte, wurden Fragen zur Beziehung und Aufgabenteilung zwischen den Eltern in den Bereich individuell-persönlicher Privatangelegenheiten oder in den Bereich personalisierter Beratung verwiesen und in den journalistischen Ratgebern nicht mehr zum Gegenstand gemacht.
Dass im heutigen „Migros-Magazin“ der Kolumnist Bänz Friedli Woche für Woche als «Hausmann» Geschichten aus dem Familien- und Haushaltsalltag zum Besten gibt, reiht sich in diese Entwicklung ein. Mit dem «Hausmann» ist – im Unterschied zum früheren Konzept «Hausfrau» – kein Konzept, keine Ordnung der Familie, keine Ordnung der Arbeit und der Geschlechter gemeint. Die mediale Thematisierung von Familie, wie sie über Bänz Friedli stattfindet, stellt einen individuellen Fall dar, eben (bloss) die Lebensgestaltung von Bänz Friedli. Diese individualisierte, personenbezogene Sprechweise dürfte, mehr noch als das Hausmännertum selbst, als ein prägnantes Zeichen der Zeit verstanden werden.
Bild 1 (links): «Besser als dem Mann Medizin einzuträufeln, steht es der Frau an, rechtzeitig für eine gesunde Ernährung zu sorgen.» Als Zuständige für Gesundheit und Wohlbefinden der Familienmitglieder war die Ehefrau definiert (April 1960).
Bild 2 (Mitte): Rechtsratgeber gaben Auskunft über die neue rechtliche Situation unter dem neuen Eherecht (1985/88). Eine Portion Ironie durfte sein (Sept. 1985).
Bild 3 (rechts): Nicht (nur) Harmonie, sondern dass auch mal «die Fetzen fliegen», zeichnet das moderne Familienleben aus (Dez. 2000) 
Advisors:Mooser, Josef
Committee Members:Arni, Caroline
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Bereich Neuere und Neueste Geschichte > Allgemeine Geschichte des 19./20. Jhds (Arni)
04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Neuere Allgemeine Geschichte (Mooser)
UniBasel Contributors:Mooser, Josef and Arni, Caroline
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Master Thesis
Thesis no:UNSPECIFIED
Thesis status:Complete
Last Modified:05 Apr 2018 17:36
Deposited On:06 Feb 2018 11:22

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