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Schule oder Berufsbildung? : Übergänge in die nachobligatorische Bildung aus subjektiver und geschlechtsspezifischer Sicht in der Schweiz

Wohlgemuth, Karin. Schule oder Berufsbildung? : Übergänge in die nachobligatorische Bildung aus subjektiver und geschlechtsspezifischer Sicht in der Schweiz. 2015, Doctoral Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

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Official URL: http://edoc.unibas.ch/diss/DissB_11674

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Abstract

Der Übergang von der obligatorischen Schule in die weitere schulische oder berufliche Ausbildung kann vor dem Hintergrund der Individualisierung und Destandardisierung (vgl. Beck, 1986) als schwierige Aufgabe betrachtet werden, da sich institutionalisierte Lebensläufe zunehmend ausdifferenzieren und die Eigenverantwortung des Individuums wächst. Die Mädchen und Jungen versuchen in diesem Alter mehr oder weniger selbstbestimmend, eine zu-friedenstellende postobligatorische Ausbildung zu finden. Auch wenn die Mädchen und Jungen den Übergang in die postobligatorische Schule zumeist selbstständig gestalten, kann das Ausbildungsangebot als Gelegenheitsstruktur gesehen werden, welches die Ausbildungsfindung prägt.
Die individuelle Wahl der Jugendlichen einer oft geschlechtsspezifischen Ausbildung nach der obligatorischen Schulbildung wurde bereits reichlich untersucht, meist mit einem Fokus auf die Berufswahl (vgl. Z.B. für Deutschland: Geipel, Plössner, und Schmeck 2012; Haubrich und Preiss 1996; Liesering 1996; für die Schweiz: Buchmann und Kriesi 2012; Abraham und Arpagaus 2008). Die Ausbildungsentscheidung im Rahmen des institutionellen Ausbildungsspektrums (in der Schweiz vor allem Gymnasium, Fachmittelschule, Berufsbildung dual oder vollzeitschulisch, Berufsmaturitätsschulen) wurde dagegen vernachlässigt. Weder die berufsbildenden noch die allgemeinbildenden Wege im Bildungssystem sind geschlechtsneutral (Leemann und Imdorf 2011: 420f). Es zeigt sich, dass mehr Mädchen als Jungen ihre Ausbildung auf dem allgemeinbildenden Weg absolvieren. Die beruflich qualifizierenden Ausbildungen wiederum sind stark geschlechtersegregiert. Noch immer erlernen Jungen vorwiegend gewerblich-industrielle Berufe und Mädchen oft Berufe im sozialen und pflegerischen Bereich (ebd: 422).
Folgende Fragestellung wird in dieser Dissertation bearbeitet: „Wie navigieren Mädchen und Jungen vor dem Hintergrund unterschiedlich stark vergeschlechtlichter Bildungsangebote ihren Übergang von der obligatorischen Schule in die postobligatorische Bildung?“
Ziel der Dissertation ist es einerseits, die Vielfalt von Findungsprozessen aufzuzeigen sie andererseits in einen Bezug zu sozialen und strukturellen Kontexten zu setzen. Das Agency-Konzept (Emirbayer & Mische, 1998) eignet sich, um Prozesse der Ausbildungsfindung sichtbar zu machen und sie in Relation zu der sowohl ermöglichenden als auch begrenzenden strukturellen Umgebung zu setzen (vgl. Stauber, 2010). Dabei interessiert vorwiegend, inwiefern das Bildungsangebot als vergeschlechtlicht wahrgenommen wird, wie vorläufige Entscheidungen gefällt werden und inwiefern dabei Geschlecht relevant wird.
Anhand von 19 qualitativen Leitfadeninterviews wurden in der Schweiz wohnhafte Jugendliche im achten und neunten Schuljahr beider Geschlechter zu ihrem momentanen Entscheidungsverhalten, zu ihren vergangenen Erlebnissen und zu ihren entscheidungsrelevanten Zukunftsplänen befragt. Die Ausbildungssuche kann so als zeitlich vielschichtiger Prozess in Abgrenzung zu einer blossen momentanen Handlungsintention betrachtet werden. Die Analyse von Erzählungen ermöglicht eine Rekonstruktion von Übergangsprozessen vor dem Hintergrund struktureller Möglichkeiten und Hindernisse. Von der subjektiven Sicht der Jugendlichen auf das Ausbildungssystem erhoffte ich mir ein besseres Verständnis davon, wie Jugendliche ihren oft geschlechtertypischen beruflichen Weg selber gestalten.
Die Ergebnisse zeigen, dass einige Teile des Bildungsangebots als stark geschlechtstypisch wahrgenommen werden. Schulisch organisierte Ausbildungen wie zum Beispiel das Gymnasium entsprechen aus Sicht der Befragten stärker dem weiblichen, während eher beruflich organisierte Ausbildungen wie zum Beispiel die dual organisierte Berufslehre stärker mit dem männlichen Wesen übereinstimmen. Ferner zeigen die Ergebnisse, dass neben dem bisherigen Schulverlauf mit den erworbenen schulischen Qualifikationen insbesondere die zeitliche Orientierung der Mädchen und Jungen eine wesentliche Bedeutung für die Gestaltung ihres Übergangs haben. Das bedeutet, dass Übergänge unterschiedlich stark mit Bezug auf vergangene Erlebnisse, gegenwärtige Situationen oder zukünftige Erwartungen gestaltet werden und diese zeitlichen Orientierungen unterschiedlich stark mit dem geschlechtstypischen Ausbildungsfindungsprozess in Verbindung stehen.
Bibliographie:
Abraham, M., & Arpagaus, J. (2008). Wettbewerb, soziales Umfeld oder gezielte Lebensplanung? Determinanten der horizontalen Geschlechtersegregation auf dem Lehrstellenmarkt. Soziale Welt, 59(3), 205–225.
Beck, U. (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
Buchmann, M., & Kriesi, I. (2012). Geschlechtstypische Berufswahl: Begabungszuschreibungen, Aspirationen und Institutionen. In R. Becker & H. Solga (Hrsg.), Soziologische Bildungsforschung (S. 256–280). Springer Fachmedien Wiesbaden. Abgerufen von http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-00120-9_11
Emirbayer, M., & Mische, A. (1998). What Is Agency? American Journal of Sociology, 103(4), 962–1023. doi:10.1086/231294
Geipel, K., Plössner, M., & Schmeck, M. (2012). Ein unendlicher Spass. Zur Bedeutung von Normen im Prozess der Lebensplanung und Berufsorientierung junger Frauen. Betrifft Mädchen, 25(4), 164–167.
Haubrich, K., & Preiss, C. (1996). Auf der Suche nach beruflicher Identität - junge Frauen im Berufsfindungsprozess. In K. Schober & M. Gaworek (Hrsg.), Berufswahl: Sozialisations- und Selektionsprozesse an der ersten Schwelle. Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nr. 202 (S. 77–95). Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung IAB.
Leemann, R. J., & Imdorf, C. (2011). Zum Zusammenhang von Geschlechterungleichheiten in Bildung, Beruf und Karriere: Ein Ausblick. In A. Hadjar (Hrsg.), Geschlechtsspezifische Bildungsungleichheiten. Systematischer Überblick zur Frage der Bildungsungleichheit zwischen den Geschlechtern (S. 417–440). Wiesbaden: VS-Verlag.
Liesering, S. (1996). Berufswahlmotivationen und Berufswahlverhalten von Jugendlichen im Geschlechtervergleich. In S. Liesering & A. Rauch (Hrsg.), Hürden im Erwerbsleben. Aspekte beruflicher Segregation nach Geschlecht. Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Nr. 198. (S. 3–16). Nürnberg: IAB.
Stauber, B. (2010). Transdisziplinäre Jugendforschung: Ein neuer Anlauf zu einer integrativen Forschungsperspektive. In C. Riegel, A. Scherr, & B. Stauber (Hrsg.), Transdisziplinäre Jugendforschung (S. 25–45). VS Verlag für Sozialwissenschaften. Abgerufen von http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-531-92587-5_2
Advisors:Imdorf, Christian and Bergman, Manfred Max
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Gesellschaftswissenschaften > Ehemalige Einheiten Gesellschaftswissenschaften > Bildungssoziologie (Imdorf)
UniBasel Contributors:Wohlgemuth, Karin and Imdorf, Christian and Bergman, Manfred Max
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Doctoral Thesis
Thesis no:11674
Thesis status:Complete
Number of Pages:1 Online-Ressource (188 Seiten)
Language:English
Identification Number:
edoc DOI:
Last Modified:22 Jan 2018 15:52
Deposited On:09 Jun 2016 13:02

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