Paradoxe Männlichkeit. Konkurrierende Diskurse und Praktiken der Sodomie und Bestialität im Luzern des 17. und 18. Jahrhunderts

Wie unterschieden sich im Luzern des 17. und 18. Jahrhunderts obrigkeitliche Moralvorstellungen von ländlichen Diskursen und Praktiken männlicher Sexualität mit anderen Männern (Sodomie) und mit Tieren (Bestialität)? Während Sodomie und Bestialität normativ als «stumme Sünde» verstanden wurde und sich diese Bezeichnung auch in der Literatur hält, zeigt sich beim Blick auf die breite Bevölkerung ein differenzierteres Bild. Die Masterarbeit untersucht 59 bisher unerforschte Sodomie- und Besitialitätsfälle im katholischen Luzern zwischen 1600 und 1768 aus einer Männlichkeitsperspektive. Um die Delikte herrschten seitens der weltlichen Obrigkeit und der (männlichen) Landbevölkerung widersprüchliche Diskurse vor, welche unterschiedliche Handlungsoptionen hervorbrachten. Im obrigkeitlich-normativen Verständnis wurden die Handlungen als Sünden sowie als Verbrechen verstanden, die von der weltlichen Gerichtsbarkeit geahndet wurden. Die Aussagen der Angeklagten vor Gericht zeigen jedoch eine männliche Redekultur auf, die das Thema Sexualität als Männlichkeitsaspekt verhandelte. Dieser Diskurs führte zu anderen Definitionen von (un)züchtigem Sex, als ihn die Obrigkeit verstehen wollte und zu sodomitischen und bestialischen Praktiken. Das Delikt entstand aus einer Alltäglichkeit heraus, wurde vor allem von jungen Männern praktiziert und kaum mit Sünde in Verbindung gebracht. Männlichkeit wurde zu einem Paradox, da die entgegengesetzten Diskurse widersprüchliche Handlungsoptionen verlangten, die für «richtige» Männlichkeit nicht alle erfüllt werden konnten.