Wüthrich, Nathalie. Ägyptologie (in) der Schweiz: Ägyptenrezeption früher Schweizer Reisenden von 1800 bis 1850. 2021, Doctoral Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.
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Official URL: https://edoc.unibas.ch/85493/
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Abstract
Ägyptologie (in) der Schweiz: Ägyptenrezeption früher Schweizer Reisenden von 1800 bis 1850
Vielfach wird der Ägyptenfeldzug Napoleons als Auftakt der Ägyptophilie betrachtet, die zuerst in Frankreich ihren Ausgang nahm und durch Wettstreit in vielen verschiedenen Bereichen auf andere Länder übergriff.
Im 19. Jahrhundert war Johann Ludwig Burckhardt der erste Schweizer, der in Ägypten unterwegs war. Ihm folgten weitere Schweizer, wie Künstler oder Industrielle und mit der Zeit entstanden in Alexandria, Kairo und Luxor Schweizer Kolonien. Zu diesen ihm nachfolgenden Schweizern gehören Johann Heinrich Mayr, Charles Gleyre, Johann Jakob Frey und Theodor Zeerleder. Fast alle erlebten die Ägyptomanie ihrer Zeit; Burckhardt vor allem in Ägypten, Gleyre, Frey und Zeerleder in Paris, eine wichtige Station in ihrem Leben. Mayr scheint die Ausnahme zu sein. Die besprochenen fünf Schweizer stehen exemplarisch für die verschiedenen Arten von Reisenden und zugleich eine gewisse Zeitspanne umfassen, um so eine Art Geschichte der Schweizer Ägyptologie zu konzeptualisieren, der Fokus richtet sich dabei auf die Person Burckhardts. Die Geschichte der Schweizer Ägyptologie begann bis anhin mit Burckhardt, weil er die beiden Tempel von Abu Simbel als erster Okzidentale und vor allem Schweizer entdeckte. Auf Burckhardt folgt Edouard Naville, erst als Schüler von Karl Richard Lepsius und dann der Bekleidung des 1895 offiziell geschaffenen Lehrstuhls für Ägyptologie, i.e. der Etablierung einer akademischen Disziplin in der Schweiz. Womit eine Lücke in der Geschichte der Schweizer Ägyptologie von mehr als einem halben Jahrhundert entsteht. Dieser geschichtliche Hiatus wurde mit den vorgestellten Schweizer Reisenden in Ägypten etwas geschlossen. Durch den Nachweis von Freys Werken in den Denkmaelern, konnte nachgewiesen werden, dass auch der Basler Maler wissenschaftlich tätig war und nicht „nur“ in der Kunst, d.h. mit seinen Gemälden. Miteinbezogen wurden aber auch Personen, die sich nicht rein oder gar nicht wissenschaftlich-archäologisch mit den pharaonischen Kulturgütern auseinandersetzten wie Mayr, Gleyre und Zeerleder.
Burckhardt fand eine Anstellung bei der African Association und legte sich im Laufe der Zeit eine europäisch-orientalische Identität, mit der er sich den verschiedenen Situationen anpassen konnte, sei es als ein Orientale europäischer Herkunft (Türke) in großstädtischer oder als syrischer Händler in eher ländliche Umgebung. Auch äußert er sich niemals direkt über seine Konversion zum Islam und diese diffuse Identität ermöglichte es ihm sich den verschiedensten, teilweise auch feindlichen Umgebungen anzupassen und ihm somit eine gewisse Sicherheit zu garantieren.
Nach mehrjährigem Aufenthalt im Vorderen Orient ließ er sich schließlich in Kairo nieder und behielt seine „syrischen“ Gepflogenheiten bei, so beispielsweise den Besuch von in der Bibel erwähnten archäologischen Stätten. Nebst dem Weiterführen seiner Gepflogenheiten war wohl auch der Wettstreit zwischen England und Frankreich auf dem Gebiet der Archäologie ein Grund, dass Burckhardt den Entschluss fasste, während seiner Nubienreise Tempel und andere archäologische Stätten zu besuchen und kurz zu beschreiben. Darüber hinaus lassen sich nur Indizien für seine Entscheidung finden, wie etwa, dass er Einheimische für Hinweise auf altägyptisch-nubische Tempel.
Unterwegs suchte er nach Spuren von Menschen errichteten Bauten und klassifizierte sie anhand von Markern als „antik“, dazu zählen Hieroglyphen und Reliefszenen. Zudem benutzte Burckhardt architektonische Elemente, stilistische Merkmale zur Identifizierung und zeitlichen Einordnung der Monumente. Als schriftliche Quellen dienten ihm das Grosse Werk der Franzosen, die klassischen antiken Autoren wie Herodot, aber auch das Itinerarium Antonini. Wenn möglich, fügte Burghardt einen rudimentären Grundriss bei, die trotz ihrer Unvollkommenheit eine Hilfe beim Einordnen von beschriebenen Szenen waren, da Burckhardt meistens nur die Darstellungen an einer Wand beschrieb ohne genauere geographische Verortung der Szenen.
Zurück in Kairo redigierte Burckhardt seiner Reise und Forschungsberichte, übersetzte arabischen Manuskripte und traf sich mit Freunden und Bekannten. Zudem unterstützte er andere Reisende mit seinem Wissen, beispielsweise William Banks. Dieser bereiste 1815 auf Burckhardt Initiative hin Nubien und hatte ein einfaches Tempelitinerarium des Schweizers mit dabei, was Burckhardt Wunsch wahr. Dass seine Tempel Beschreibung als Wegleitung für andere Forscher dienen möge. Allerdings lässt sich bei den eingangs erwähnten Schweizern keinen Hinweis finden, dass Travels in Nubia eine Inspiration für ihren Ägyptenaufenthalt war.
Damit ist Burckhardt einer der ersten Europäer und der erste Schweizer, der eine Art archäologischen Survey in Nubien durchführte. Einige Monumente waren durch Besuche anderer Europäer bereits bekannt, andere hingegen be- und untersuchte er als erster Okzidentale. In der Archäologie, beziehungsweise der Ägyptologie ist die Dokumentation von Burckhardt eine unter vielen, sie zeigen jedoch sein Vorgehen, seine Überlegungen und gehören zu den ersten abendländischen Beschreibungen der antiken Denkmäler überhaupt.
Im Winter 1812/1813 lernte Burckhardt in Kairo einen Landsmann kennen, Johann Heinrich Mayr. Dieser bereiste für ungefähr zwei Jahre den Vorderen Orient und hielt seiner Erlebnisse Reisetagebuch im klassischen Sinne fest. Dabei wechseln sich persönliche Meinung und prosaische Beschreibungen des Erlebten ab. Diese Reise diente zu seinem privaten Vergnügen, wobei hie und da auch wirtschaftliche Interessen durchklingen. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz lasen Mayrs Freunden und Bekannten seine Aufzeichnungen und bewogen, seine Erlebnisse 1815 unter dem Titel „Schicksale eines Schweizers während seiner Reise nach Jerusalem und dem Libanon“ zum ersten Mal und fünf Jahre später in zweiter Auflage nochmals zu publizieren. Wie Burckhardt reiste Meier allein, war aber im Gegensatz zum Basler Reisenden niemandem Rechenschaft verpflichtet. Aus der zufälligen Begegnung entwickelte sich nicht viel mehr, keine tiefere Verbindung oder grössere gemeinsame Unterfangen.
Charles Gleyre war als Reisebegleiter eines Privatmannes in Ägypten unterwegs. Er sollte die Reise dokumentieren, indem er an den besuchten Orten typische Trachten sowie die wichtigsten Denkmäler so genau wie möglich festhielt. In Ägypten waren dies die Tempel, die von Gleyre in zahlreichen Skizzen festgehalten wurden. In einigen seiner Gemälde lässt sich ein Einfluss seiner Orientreise ausmachen, jedoch benutzte Gleyre wahrscheinlich keine seiner Skizzen als direkte Vorlage für seine späteren Gemälde. Er stellte einige Kopien seiner Skizzen aus, was ihnen jedoch kein Erfolg beschert. Erst mit seinem Werk Le Soir erhielt er die von ihm erhoffte berufliche Anerkennung. Das Gemälde basiert teilweise auf einer Vision, die Gleyre in Ägypten hatte und es trägt gewisse autobiographische Züge – Melancholie, beruflich kaum Erfolg – gehört aber thematisch auch in die Kategorie man’s fate, ein Thema, das andere Künstler ebenfalls als Motiv in ihren Werken behandelten. Es lässt sich festhalten, dass sich Gleyre nach seiner Rückkehr nach Europa insgesamt vom Thema Orient abwandte.
Nach Gleyre bereiste Johann Jakob Frey für eine kurze Zeit Ägypten. Nach seiner Ausbildung liess er sich in Rom nieder, wo der Künstler Carl Richard Lepsius kennenlernte und für ihn Hieroglyphen kopierte. Lepsius bot ihm die Teilnahme als wissenschaftlicher Zeichner an der Preussischen Expedition in Ägypten an. Nur ungefähr ein Jahr weilte der Basler in Ägypten, dann musste er auf Grund einer schweren Erkrankung nach Hause zurückkehren. Während seiner Zeit in Ägypten malte Frey das bekannte Bild der Expedition auf der Spitze der Cheopspyramide zu Ehren des Geburtstags des Preussischen Königs. Nebst Panoramabildern in den Denkmaeler finden sich weiter Bilder Freys – die bis anhin unbekannt und daher unbeachtet waren – und zwar archäologische Zeichnungen aus Gizeh und Saqqarah. In den meisten Fällen handelt es sich um Abbildungen von Grabwänden, wobei die Hieroglyphentexte meistens nachträglich von Weidenbach eingefügt wurden. Nach seiner Rückkehr aus Ägypten blieb Frey dieser Thematik treu, er malte verschiedene Werke mit altägyptischen Motiven und ägyptischen Landschaften. Da es von diesen Werken noch keine umfassende Publikation gibt, ist es schwierig zu beurteilen, welche Motive er am häufigsten malte. Zudem kopierte er wohl auch einige seiner Gemälde, was zwar die Menge an Werken, nicht aber an Motiven erhöht. Durch diese Umsetzungen in seinen Werken gehört er zu den erfolgreichen (Schweizer) Orientalisten, der seine Erfahrungen, die er in Ägypten sammelte, umsetzen und damit seinen Lebensunterhalt finanzieren konnte.
Theodor Zeerleder hielt sich zweimal in Ägypten auf und war wie Johann Heinrich Mayr als Privatmann unterwegs. 1850 reiste er in Begleitung des deutschen Malers Alexius Geyers, der ihn mit fachkundigem Wissen unterstützen sollte. Wie Gleyre hielt Zeerleder Menschen, Landschaften und Denkmäler in zahlreichen Skizzen fest, kam also mit einem reichgefüllten Portefeuille nach Hause zurück, benutzte sie jedoch nie im künstlerischen Bereich. Er wandte sich wandte sich in der Hinsicht noch radikaler vom Thema Orient ab, als es Gleyre tat, wobei beiden die in die Reisen gesteckten enttäuschte Hoffnungen gemeinsam ist. Die einzige Verwertung seiner Orienterfahrungen findet sich ausgerechnet in der Architektur wieder, von der er sich beruflich distanzieren wollte. Hierfür griff er auf seine Skizzen aus Ägypten und dem Vorderen Orient zurück, angefertigt in christlichen und jüdischen Häusern und die ihm nun als Vorlage für den Selamlik von Schloss Oberhofen dienten.
Während es signifikante Unterschiede im Movens, der Art des Reisens und auch in ihrer sozialen Herkunft zwischen den erwähnten Reisenden gibt, existieren auch Gemeinsamkeiten oder zumindest Ähnlichkeiten. Burckhardt und Frey waren als Forscher, als Dokumentare unterwegs. Ihnen ist also nicht nur das Merkmal „Schweizer“ gemeinsam, sondern auch die Konnotation einer Wissenserweiterung, die sich auch in ihrer Auseinandersetzung mit der pharaonischen Kultur findet. Bei Burckhardt in Form seiner schriftlichen Dokumentation und bei Frey in den Lithographien der Denkmäler, die auf seinen Skizzen basieren.
Ein wesentlicher Unterschied ist aber die Art der Wissensaneignung oder –schaffung: allein und in geographisch unbekanntem Raum versus Teil einer grösseren Expedition und in bekanntem geografischem Gebiet, was sich auch in der Präsentation der Person zeigt, Burckhardt als „Orientale“ und Frey – sowie die anderen Schweizer – als „Okzidentale“. Auch in der Präsentation beziehungsweise der Kanonisierung des erworbenen Wissens ergibt sich dadurch ein Unterschied. Burckhardts von ihm allein erstellter, umfangreicher Expeditionsbericht gegenüber einem „standardisierten“ wissenschaftlichen Werk, wo Frey von Beginn an „strenge“ Formalitäten gebunden war und einen bestimmten Auftrag innerhalb einer vorgegebenen Zeit zu erfüllen hatte. Dazwischen steht Gleyre, der an sich nicht unbedingt auf einer wissenschaftlichen Reise war, sondern auf einer privaten Expedition, in deren Rahmen er jedoch Skizzen schuf, die man als archäologisch bezeichnen kann. Zumal Gleyre auch der erste Schweizer im Gebiet des Djebel Barkal war und dort einige Ansichten und Detailaufnahmen der archäologischen Denkmäler zeichnete. Monica Bilfinger weist denn auch daraufhin, dass der Schweizer Orientalismus (Malerei) mit den archäologischen und ethnographischen Zeichnungen Gleyres begann. Seine Reise in Ägypten bewertet sie ebenfalls als Expedition und schlägt damit dann auch den Bogen zu Johann Jakob Frey. Führt man diesen Gedanken weiter, so kann man in gewisser Weise auch Zeerleder in die Gruppe der Forscher und Wissenschaftler aufnehmen. Wie Gleyre hielt er die Tempelanlagen zeichnerisch und relativ akkurat fest.
Während die akademische Disziplin der Ägyptologie erst spät in der Schweiz etabliert wurde, so gibt es eine Vorgeschichte in Form der Ägyptenrezeption verschiedener Schweizer, die sich im Land aufhielten und mehr oder weniger mit der Gegenwart, aber vor allem auch mit der pharaonischen Vergangenheit auseinandersetzten. Diese weniger rigiden, fachlichen Grenzen erlauben es den besprochenen Schweizer Ägyptenreisenden in den Dialog der Ägyptenrezeption der pharaonischen Kultur zu treten, also ein verbindendes Element, mit dem sie sich ihren persönlichen Umständen und Fähigkeiten entsprechend auseinandersetzten. Somit fängt eine eingehendere Auseinandersetzung mit dem Alten Ägypten mit dem Forscher Johann Ludwig Burckhardt an, dem der Künstler Charles Gleyre mit dem Schwerpunkt auf das Gestalterische folgte, ihm kam der Forscher und Künstler Johann Jakob Frey nach, der beide Dimensionen – die des Forschers und die des Künstlers – in sich vereint und zuletzt der Künstler Theodor Zeerleder, bei dem wie bei Gleyre der Schwerpunkt auf der Malerei lag. Bei Mayr stand das Reisen, seine Erlebnisse an sich im Fokus. Sein Reisetagebuch ist in erster Linie ein persönlicher Reisebericht und anders als Burckhardt versuchte er nicht, objektiv im Sinne von wissenschaftlich, zu sein. In diesem Sinne hat Mayr letztlich seine Orienterfahrungen ausgewertet, die Reise im Vorderen Orient und Ägypten diente dem persönlichen „Amusement“.
Der Unterschied liegt in der „qualitativen“ Umsetzung dessen, was als wissenschaftlich-ägyptologische – Forscher, Teilnehmer an wissenschaftlichen Expeditionen oder ausgebildete Ägyptologen – Auseinandersetzung betrachtet wird. Wie eingangs erwähnt, beginnt die Geschichte der Schweizer Ägyptologie mit Burckhardt und dann Edouard Naville Ende des 19. Jahrhunderts. Durch Einbezug der archäologischen Zeichnungen und Kunstwerken Freys ergibts sich ein weiterer Festpunkt. Lässt man aber zusätzlich die Arbeiten von Künstlern und Dilettanten, also die Skizzen von Gleyre und Zeerleder zu, gewinnt man eine grössere Vielfalt, ein komplexeres Bild der Schweizer Ägyptologie. Mit Mayr erhält man nochmals eine andere Perspektive, die des „Konsumierens“, nicht das altägyptische Monument steht im Fokus, sondern sein persönliches Erleben desselben, seine „emotionale“ Wahrnehmung des Pyramidenbesuchs.
Zwar ist eine zusammenhängende Linie zwischen Burckhardt und Naville schwerlich nachweisbar, eine Geschichte der Schweizer Ägyptologie ist über die Ägyptenrezeption der Schweizerreisenden dennoch möglich.
Vielfach wird der Ägyptenfeldzug Napoleons als Auftakt der Ägyptophilie betrachtet, die zuerst in Frankreich ihren Ausgang nahm und durch Wettstreit in vielen verschiedenen Bereichen auf andere Länder übergriff.
Im 19. Jahrhundert war Johann Ludwig Burckhardt der erste Schweizer, der in Ägypten unterwegs war. Ihm folgten weitere Schweizer, wie Künstler oder Industrielle und mit der Zeit entstanden in Alexandria, Kairo und Luxor Schweizer Kolonien. Zu diesen ihm nachfolgenden Schweizern gehören Johann Heinrich Mayr, Charles Gleyre, Johann Jakob Frey und Theodor Zeerleder. Fast alle erlebten die Ägyptomanie ihrer Zeit; Burckhardt vor allem in Ägypten, Gleyre, Frey und Zeerleder in Paris, eine wichtige Station in ihrem Leben. Mayr scheint die Ausnahme zu sein. Die besprochenen fünf Schweizer stehen exemplarisch für die verschiedenen Arten von Reisenden und zugleich eine gewisse Zeitspanne umfassen, um so eine Art Geschichte der Schweizer Ägyptologie zu konzeptualisieren, der Fokus richtet sich dabei auf die Person Burckhardts. Die Geschichte der Schweizer Ägyptologie begann bis anhin mit Burckhardt, weil er die beiden Tempel von Abu Simbel als erster Okzidentale und vor allem Schweizer entdeckte. Auf Burckhardt folgt Edouard Naville, erst als Schüler von Karl Richard Lepsius und dann der Bekleidung des 1895 offiziell geschaffenen Lehrstuhls für Ägyptologie, i.e. der Etablierung einer akademischen Disziplin in der Schweiz. Womit eine Lücke in der Geschichte der Schweizer Ägyptologie von mehr als einem halben Jahrhundert entsteht. Dieser geschichtliche Hiatus wurde mit den vorgestellten Schweizer Reisenden in Ägypten etwas geschlossen. Durch den Nachweis von Freys Werken in den Denkmaelern, konnte nachgewiesen werden, dass auch der Basler Maler wissenschaftlich tätig war und nicht „nur“ in der Kunst, d.h. mit seinen Gemälden. Miteinbezogen wurden aber auch Personen, die sich nicht rein oder gar nicht wissenschaftlich-archäologisch mit den pharaonischen Kulturgütern auseinandersetzten wie Mayr, Gleyre und Zeerleder.
Burckhardt fand eine Anstellung bei der African Association und legte sich im Laufe der Zeit eine europäisch-orientalische Identität, mit der er sich den verschiedenen Situationen anpassen konnte, sei es als ein Orientale europäischer Herkunft (Türke) in großstädtischer oder als syrischer Händler in eher ländliche Umgebung. Auch äußert er sich niemals direkt über seine Konversion zum Islam und diese diffuse Identität ermöglichte es ihm sich den verschiedensten, teilweise auch feindlichen Umgebungen anzupassen und ihm somit eine gewisse Sicherheit zu garantieren.
Nach mehrjährigem Aufenthalt im Vorderen Orient ließ er sich schließlich in Kairo nieder und behielt seine „syrischen“ Gepflogenheiten bei, so beispielsweise den Besuch von in der Bibel erwähnten archäologischen Stätten. Nebst dem Weiterführen seiner Gepflogenheiten war wohl auch der Wettstreit zwischen England und Frankreich auf dem Gebiet der Archäologie ein Grund, dass Burckhardt den Entschluss fasste, während seiner Nubienreise Tempel und andere archäologische Stätten zu besuchen und kurz zu beschreiben. Darüber hinaus lassen sich nur Indizien für seine Entscheidung finden, wie etwa, dass er Einheimische für Hinweise auf altägyptisch-nubische Tempel.
Unterwegs suchte er nach Spuren von Menschen errichteten Bauten und klassifizierte sie anhand von Markern als „antik“, dazu zählen Hieroglyphen und Reliefszenen. Zudem benutzte Burckhardt architektonische Elemente, stilistische Merkmale zur Identifizierung und zeitlichen Einordnung der Monumente. Als schriftliche Quellen dienten ihm das Grosse Werk der Franzosen, die klassischen antiken Autoren wie Herodot, aber auch das Itinerarium Antonini. Wenn möglich, fügte Burghardt einen rudimentären Grundriss bei, die trotz ihrer Unvollkommenheit eine Hilfe beim Einordnen von beschriebenen Szenen waren, da Burckhardt meistens nur die Darstellungen an einer Wand beschrieb ohne genauere geographische Verortung der Szenen.
Zurück in Kairo redigierte Burckhardt seiner Reise und Forschungsberichte, übersetzte arabischen Manuskripte und traf sich mit Freunden und Bekannten. Zudem unterstützte er andere Reisende mit seinem Wissen, beispielsweise William Banks. Dieser bereiste 1815 auf Burckhardt Initiative hin Nubien und hatte ein einfaches Tempelitinerarium des Schweizers mit dabei, was Burckhardt Wunsch wahr. Dass seine Tempel Beschreibung als Wegleitung für andere Forscher dienen möge. Allerdings lässt sich bei den eingangs erwähnten Schweizern keinen Hinweis finden, dass Travels in Nubia eine Inspiration für ihren Ägyptenaufenthalt war.
Damit ist Burckhardt einer der ersten Europäer und der erste Schweizer, der eine Art archäologischen Survey in Nubien durchführte. Einige Monumente waren durch Besuche anderer Europäer bereits bekannt, andere hingegen be- und untersuchte er als erster Okzidentale. In der Archäologie, beziehungsweise der Ägyptologie ist die Dokumentation von Burckhardt eine unter vielen, sie zeigen jedoch sein Vorgehen, seine Überlegungen und gehören zu den ersten abendländischen Beschreibungen der antiken Denkmäler überhaupt.
Im Winter 1812/1813 lernte Burckhardt in Kairo einen Landsmann kennen, Johann Heinrich Mayr. Dieser bereiste für ungefähr zwei Jahre den Vorderen Orient und hielt seiner Erlebnisse Reisetagebuch im klassischen Sinne fest. Dabei wechseln sich persönliche Meinung und prosaische Beschreibungen des Erlebten ab. Diese Reise diente zu seinem privaten Vergnügen, wobei hie und da auch wirtschaftliche Interessen durchklingen. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz lasen Mayrs Freunden und Bekannten seine Aufzeichnungen und bewogen, seine Erlebnisse 1815 unter dem Titel „Schicksale eines Schweizers während seiner Reise nach Jerusalem und dem Libanon“ zum ersten Mal und fünf Jahre später in zweiter Auflage nochmals zu publizieren. Wie Burckhardt reiste Meier allein, war aber im Gegensatz zum Basler Reisenden niemandem Rechenschaft verpflichtet. Aus der zufälligen Begegnung entwickelte sich nicht viel mehr, keine tiefere Verbindung oder grössere gemeinsame Unterfangen.
Charles Gleyre war als Reisebegleiter eines Privatmannes in Ägypten unterwegs. Er sollte die Reise dokumentieren, indem er an den besuchten Orten typische Trachten sowie die wichtigsten Denkmäler so genau wie möglich festhielt. In Ägypten waren dies die Tempel, die von Gleyre in zahlreichen Skizzen festgehalten wurden. In einigen seiner Gemälde lässt sich ein Einfluss seiner Orientreise ausmachen, jedoch benutzte Gleyre wahrscheinlich keine seiner Skizzen als direkte Vorlage für seine späteren Gemälde. Er stellte einige Kopien seiner Skizzen aus, was ihnen jedoch kein Erfolg beschert. Erst mit seinem Werk Le Soir erhielt er die von ihm erhoffte berufliche Anerkennung. Das Gemälde basiert teilweise auf einer Vision, die Gleyre in Ägypten hatte und es trägt gewisse autobiographische Züge – Melancholie, beruflich kaum Erfolg – gehört aber thematisch auch in die Kategorie man’s fate, ein Thema, das andere Künstler ebenfalls als Motiv in ihren Werken behandelten. Es lässt sich festhalten, dass sich Gleyre nach seiner Rückkehr nach Europa insgesamt vom Thema Orient abwandte.
Nach Gleyre bereiste Johann Jakob Frey für eine kurze Zeit Ägypten. Nach seiner Ausbildung liess er sich in Rom nieder, wo der Künstler Carl Richard Lepsius kennenlernte und für ihn Hieroglyphen kopierte. Lepsius bot ihm die Teilnahme als wissenschaftlicher Zeichner an der Preussischen Expedition in Ägypten an. Nur ungefähr ein Jahr weilte der Basler in Ägypten, dann musste er auf Grund einer schweren Erkrankung nach Hause zurückkehren. Während seiner Zeit in Ägypten malte Frey das bekannte Bild der Expedition auf der Spitze der Cheopspyramide zu Ehren des Geburtstags des Preussischen Königs. Nebst Panoramabildern in den Denkmaeler finden sich weiter Bilder Freys – die bis anhin unbekannt und daher unbeachtet waren – und zwar archäologische Zeichnungen aus Gizeh und Saqqarah. In den meisten Fällen handelt es sich um Abbildungen von Grabwänden, wobei die Hieroglyphentexte meistens nachträglich von Weidenbach eingefügt wurden. Nach seiner Rückkehr aus Ägypten blieb Frey dieser Thematik treu, er malte verschiedene Werke mit altägyptischen Motiven und ägyptischen Landschaften. Da es von diesen Werken noch keine umfassende Publikation gibt, ist es schwierig zu beurteilen, welche Motive er am häufigsten malte. Zudem kopierte er wohl auch einige seiner Gemälde, was zwar die Menge an Werken, nicht aber an Motiven erhöht. Durch diese Umsetzungen in seinen Werken gehört er zu den erfolgreichen (Schweizer) Orientalisten, der seine Erfahrungen, die er in Ägypten sammelte, umsetzen und damit seinen Lebensunterhalt finanzieren konnte.
Theodor Zeerleder hielt sich zweimal in Ägypten auf und war wie Johann Heinrich Mayr als Privatmann unterwegs. 1850 reiste er in Begleitung des deutschen Malers Alexius Geyers, der ihn mit fachkundigem Wissen unterstützen sollte. Wie Gleyre hielt Zeerleder Menschen, Landschaften und Denkmäler in zahlreichen Skizzen fest, kam also mit einem reichgefüllten Portefeuille nach Hause zurück, benutzte sie jedoch nie im künstlerischen Bereich. Er wandte sich wandte sich in der Hinsicht noch radikaler vom Thema Orient ab, als es Gleyre tat, wobei beiden die in die Reisen gesteckten enttäuschte Hoffnungen gemeinsam ist. Die einzige Verwertung seiner Orienterfahrungen findet sich ausgerechnet in der Architektur wieder, von der er sich beruflich distanzieren wollte. Hierfür griff er auf seine Skizzen aus Ägypten und dem Vorderen Orient zurück, angefertigt in christlichen und jüdischen Häusern und die ihm nun als Vorlage für den Selamlik von Schloss Oberhofen dienten.
Während es signifikante Unterschiede im Movens, der Art des Reisens und auch in ihrer sozialen Herkunft zwischen den erwähnten Reisenden gibt, existieren auch Gemeinsamkeiten oder zumindest Ähnlichkeiten. Burckhardt und Frey waren als Forscher, als Dokumentare unterwegs. Ihnen ist also nicht nur das Merkmal „Schweizer“ gemeinsam, sondern auch die Konnotation einer Wissenserweiterung, die sich auch in ihrer Auseinandersetzung mit der pharaonischen Kultur findet. Bei Burckhardt in Form seiner schriftlichen Dokumentation und bei Frey in den Lithographien der Denkmäler, die auf seinen Skizzen basieren.
Ein wesentlicher Unterschied ist aber die Art der Wissensaneignung oder –schaffung: allein und in geographisch unbekanntem Raum versus Teil einer grösseren Expedition und in bekanntem geografischem Gebiet, was sich auch in der Präsentation der Person zeigt, Burckhardt als „Orientale“ und Frey – sowie die anderen Schweizer – als „Okzidentale“. Auch in der Präsentation beziehungsweise der Kanonisierung des erworbenen Wissens ergibt sich dadurch ein Unterschied. Burckhardts von ihm allein erstellter, umfangreicher Expeditionsbericht gegenüber einem „standardisierten“ wissenschaftlichen Werk, wo Frey von Beginn an „strenge“ Formalitäten gebunden war und einen bestimmten Auftrag innerhalb einer vorgegebenen Zeit zu erfüllen hatte. Dazwischen steht Gleyre, der an sich nicht unbedingt auf einer wissenschaftlichen Reise war, sondern auf einer privaten Expedition, in deren Rahmen er jedoch Skizzen schuf, die man als archäologisch bezeichnen kann. Zumal Gleyre auch der erste Schweizer im Gebiet des Djebel Barkal war und dort einige Ansichten und Detailaufnahmen der archäologischen Denkmäler zeichnete. Monica Bilfinger weist denn auch daraufhin, dass der Schweizer Orientalismus (Malerei) mit den archäologischen und ethnographischen Zeichnungen Gleyres begann. Seine Reise in Ägypten bewertet sie ebenfalls als Expedition und schlägt damit dann auch den Bogen zu Johann Jakob Frey. Führt man diesen Gedanken weiter, so kann man in gewisser Weise auch Zeerleder in die Gruppe der Forscher und Wissenschaftler aufnehmen. Wie Gleyre hielt er die Tempelanlagen zeichnerisch und relativ akkurat fest.
Während die akademische Disziplin der Ägyptologie erst spät in der Schweiz etabliert wurde, so gibt es eine Vorgeschichte in Form der Ägyptenrezeption verschiedener Schweizer, die sich im Land aufhielten und mehr oder weniger mit der Gegenwart, aber vor allem auch mit der pharaonischen Vergangenheit auseinandersetzten. Diese weniger rigiden, fachlichen Grenzen erlauben es den besprochenen Schweizer Ägyptenreisenden in den Dialog der Ägyptenrezeption der pharaonischen Kultur zu treten, also ein verbindendes Element, mit dem sie sich ihren persönlichen Umständen und Fähigkeiten entsprechend auseinandersetzten. Somit fängt eine eingehendere Auseinandersetzung mit dem Alten Ägypten mit dem Forscher Johann Ludwig Burckhardt an, dem der Künstler Charles Gleyre mit dem Schwerpunkt auf das Gestalterische folgte, ihm kam der Forscher und Künstler Johann Jakob Frey nach, der beide Dimensionen – die des Forschers und die des Künstlers – in sich vereint und zuletzt der Künstler Theodor Zeerleder, bei dem wie bei Gleyre der Schwerpunkt auf der Malerei lag. Bei Mayr stand das Reisen, seine Erlebnisse an sich im Fokus. Sein Reisetagebuch ist in erster Linie ein persönlicher Reisebericht und anders als Burckhardt versuchte er nicht, objektiv im Sinne von wissenschaftlich, zu sein. In diesem Sinne hat Mayr letztlich seine Orienterfahrungen ausgewertet, die Reise im Vorderen Orient und Ägypten diente dem persönlichen „Amusement“.
Der Unterschied liegt in der „qualitativen“ Umsetzung dessen, was als wissenschaftlich-ägyptologische – Forscher, Teilnehmer an wissenschaftlichen Expeditionen oder ausgebildete Ägyptologen – Auseinandersetzung betrachtet wird. Wie eingangs erwähnt, beginnt die Geschichte der Schweizer Ägyptologie mit Burckhardt und dann Edouard Naville Ende des 19. Jahrhunderts. Durch Einbezug der archäologischen Zeichnungen und Kunstwerken Freys ergibts sich ein weiterer Festpunkt. Lässt man aber zusätzlich die Arbeiten von Künstlern und Dilettanten, also die Skizzen von Gleyre und Zeerleder zu, gewinnt man eine grössere Vielfalt, ein komplexeres Bild der Schweizer Ägyptologie. Mit Mayr erhält man nochmals eine andere Perspektive, die des „Konsumierens“, nicht das altägyptische Monument steht im Fokus, sondern sein persönliches Erleben desselben, seine „emotionale“ Wahrnehmung des Pyramidenbesuchs.
Zwar ist eine zusammenhängende Linie zwischen Burckhardt und Naville schwerlich nachweisbar, eine Geschichte der Schweizer Ägyptologie ist über die Ägyptenrezeption der Schweizerreisenden dennoch möglich.
Advisors: | Loprieno, Antonio and Burkart, Lucas |
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Faculties and Departments: | 06 Faculty of Business and Economics > Departement Wirtschaftswissenschaften > Professuren Wirtschaftswissenschaften > Geschichte der Institutionen (Loprieno) |
UniBasel Contributors: | Loprieno, Antonio and Burkart, Lucas |
Item Type: | Thesis |
Thesis Subtype: | Doctoral Thesis |
Thesis no: | 14551 |
Thesis status: | Complete |
Number of Pages: | 243 |
Language: | English |
Identification Number: |
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edoc DOI: | |
Last Modified: | 14 Dec 2021 05:30 |
Deposited On: | 13 Dec 2021 13:09 |
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