Roth, Tanja. Die Zölibatsverpflichtung unter dem Gesichtspunkt spätmittelalterlicher Konfliktpositionen. Eine Untersuchung hinsichtlich des zölibatären Alltags des Pfarrklerus insbesondere der Diözese Basel und dem Verhalten der Renaissance-Päpste gegenüber dem. 2008, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.
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Official URL: https://edoc.unibas.ch/60517/
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Abstract
Seit frühchristlicher Zeit ist die Katholische Kirche geprägt von einer asketischen Sexualmoral, welche vor allem hinsichtlich des klerikalen Standes zu einer höheren Form des religiösen Lebens führen soll. Aus antiken Vorstellungen gebildet, entwickelte sich diese Lebenshaltung im Laufe des Mittelalters zu einem zentralen Aspekt, welcher gar die Wirren des Grossen Abendländischen Schismas und der Reformationszeit überdauerte und bis heute mit der Zölibatsverpflichtung der Priester besteht. Obwohl weder die Kirchengeschichte, die Theologie, noch die Heilige Schrift eindeutige Argumente für die verpflichtende Verbindung von Priestertum und Ehelosigkeit liefern, ist das Priesterzölibat zu einer in der Tradition stark verankerten und dauerhaften Einrichtung innerhalb des Katholizismus und gleichzeitig zu einem der umstrittensten Gesetzestexte des Kanonischen Rechtes geworden.Im 15. Jahrhundert entwickelte sich ein beträchtlicher Druck auf die Kirche, den Klerus vom Zölibatsgesetz freizustellen. Insbesondere hatte diese mit dem Aufkommen einer allgemeinen Kirchenkritik zu tun, welche nicht nur ein Zeichen des Spätmittelalters war, sondern auch ein mentaler Wegbegleiter der Reformation. Die Lizentiatsarbeit untersucht von der Durchsetzung des Gesetzes durch Synodalerlasse, der Ausarbeitung von Strafmassnahmen bei Missachtungen bis hin zur Bedeutung des Gesetzes für die Reformation alle Facetten der zölibatären Situation in der Zeit der sich vollziehenden Kulturwende der Renaissance. Subjektive Quellen wie Berichte von Zeitgenossen, Predigten und Synodalstatuten sowie urkundenähnliche Quellen wie bischöfliche Mandate und Gerichtsakten lassen darauf schliessen, in welchem Ausmass die Erlasse wirksam waren und welche Konsequenzen sich daraus entwickelten.Unter besonderer Berücksichtigung des Bistums Basel steht die Ausübung und Kontrolle der Zölibatsverpflichtung des Pfarrklerus im Vordergrund. Im Hinblick auf die Zuständigkeit kirchlicher Gerichtsbarkeit von bischöflichem Offizialat und archediakonalem Gericht lassen ungedruckte Quellen aus den «Archives de l´ancien Evêché de Bâle» in Pruntrut auf Verfehlungen des Pfarrklerus sowie Massnahmen der Gerichte schliessen. Anhand der Rechnungen des Fiskalprokurators des Offizialats Basel, Visitationen, Gerichtsprotokollen oder anderweitigem Quellenmaterial lassen sich unterschiedliche Fälle von Ehebruch und Konkubinat feststellen. Der Zeit zwischen Abendländischem Schisma und Reformation fehlte es an einem spezifischen und bindenden Priesterideal. Viele Bischöfe und Pfarrer traten hauptsächlich der kirchlichen Pfründen wegen in den geistlichen Stand ein und liessen die seelsorgerischen Aufgaben durch Stellvertreter ausführen. Zudem begnügten sich viele Priester mit den niederen Weihen oder behielten das Konkubinat unter Bezahlung des Hurenzinses in gewisser Weise legal bei. Des Weiteren trugen auch die uneinheitliche Regelung der Zulassung zum Priesteramt und die nicht vorhandene Vorbildfunktion einiger Bischöfe und der Renaissance-Päpste dazu bei, dass im Allgemeinen kaum eine besondere Wertschätzung des Zölibatsgesetzes zu erwarten war. Auch wenn reformeifrige Bischöfe immer wieder versuchten, die Moral des Klerus zu bessern, scheiterten sie oft gerade an der Straf- und Busspraxis der Katholischen Kirche. Die kirchlichen Strafen wurden verstärkt durch Geldbussen ersetzt. Quellenkritisch gesehen sind die Rechnungen, die sich mit Strafgeldern befassen, durchaus einseitig, da sie lediglich Verfehlungen und sittliche Verirrungen auflisten. Erst eine Betrachtung einer gesamten Diözese könnte Aufschluss darüber geben, ob es sich bei den dort vorkommenden Verstössen um Einzelfälle oder um oft eintretende Erscheinungen handelt.Die einzige Quelle aus der man schliessen kann, dass es sich vor allem beim Klerikerkonkubinat um eine verbreitete Zölibatsproblematik handelte, sind die Synodenstatuten. Die ständigen Wiederholungen und Erweiterungen der Strafbestimmungen verweisen darauf. Doch trotz dem Einbezug aller für die Zölibatsproblematik wichtigen Quellen lässt sich die Situation des spätmittelalterlichen Klerus nur andeutungsweise rekonstruieren. Auch wegen der in vielerlei Hinsicht unterschiedlichen Regionen sowie der oft unklaren Eingrenzung der einzelnen Diözesensprengel lassen sich beispielsweise für die ganze Diözese Basel unmöglich allgemeingültige Schlüsse ziehen. Hinsichtlich der Quellen des Basler Offizialats lässt sich lediglich feststellen, dass die kirchlichen Gerichte Kleriker und Laien hauptsächlich wegen Sexual- und Ehedelikten bestraften und der Anteil der gebüssten Geistlichen denjenigen der Laien übertraf. Die wichtigste strafrechtliche Funktion lag wohl darin, die Moral des Klerus zu überwachen und Abweichungen davon zu ahnden.Im Verlauf des 15. Jahrhunderts vermittelt die Katholische Kirche das Bild einer asketisch verankerten Kirche, die einerseits versucht, dem Klerus ihre Grundsätze mittels Synodalstatuten, Dekreten und Mandaten aufzuzwingen und andererseits einer allgemeinen sittlichen Auflösung gegenübersteht. Das auf dem Konzil von Basel in der 20. Session am 22. Januar 1435 eingebrachte «Decretum de concubinariis» verdeutlicht eindrucksvoll die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der kirchlichen Zölibatsdisziplin. Das ausführliche Dekret forderte die Einhaltung des priesterlichen Zölibats in bis dahin unbekannter Schärfe und wollte diesbezüglich ein für die ganze Kirche einheitliches und gezieltes Vorgehen gegen das Klerikerkonkubinat der damaligen Zeit durchsetzen. Das Dekret steht für die Doppelmoral in der Katholischen Kirche, die sich vom Pfarrklerus bis zum Papst erstreckte. Vor allem die Selbstdarstellung der Renaissance-Päpste und ihre Familienpolitik lassen darauf schliessen. Die Synodalstatuten, Visitationen und Massnahmen des bischöflichen Offizialats verdeutlichen nicht nur, dass Kontrolle und Ausübung Mängel aufwiesen, sondern beschreiben auch den enormen behördlichen Apparat, der mit dem strittigen Zölibatsgesetz zu kämpfen hatte. Viele geistliche Institutionen glichen eher Finanzinstitutionen als Zentralen geistlicher Verwaltung. Politische Interessen und Machtstreben lagen näher als geistliches Leben.Erst Reformatoren wie Luther oder auch Zwingli sahen im Zölibatsgesetz eine kirchliche Vorschrift, für die nicht nur keine effektive Verpflichtung im Alten oder Neuen Testament existiert, sie erkannten auch, dass dieses Zölibatsgesetz kaum durchsetzbar ist, da die menschliche Natur dagegen steht. Die Reformationsgedanken gingen einher mit den grossen Erneuerungen der Renaissancezeit, die wissenschaftliche Fortschritte und soziale Veränderungen mit sich brachte. Dazu gehörte neben dem Zusammenbruch der streng hierarchischen mittelalterlichen Ordnung auch eine Abnahme der politischen Macht des Papstes. Trotz der reformatorischen Tendenzen hielt die Katholische Kirche jedoch an der Zölibatsverpflichtung fest, obwohl sie für die seelsorgerische Tätigkeit keine Voraussetzung mehr darstellte.
Advisors: | Freiherr von Müller, Achatz |
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Faculties and Departments: | 04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Geschichte des Mittelalters (Freiherr von Müller) |
UniBasel Contributors: | Freiherr von Müller, Achatz |
Item Type: | Thesis |
Thesis Subtype: | Master Thesis |
Thesis no: | UNSPECIFIED |
Thesis status: | Complete |
Last Modified: | 22 Apr 2018 04:33 |
Deposited On: | 06 Feb 2018 11:28 |
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