Bürgi, Michael. «...eine grossartige Erfindung, in ihrer Art so wunderbar wie der Radio im Reich der Töne.» Fotografien aus dem Nachlass von Saskia Egloff (1902-1994). 2002, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.
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Official URL: https://edoc.unibas.ch/59993/
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Abstract
Der fotografische Nachlass von Saskia Egloff, einer Thurgauer Amateurfotografin, ist Untersuchungsgegenstand und historische Quelle der vorliegenden Lizentiatsarbeit. Der bisher unerschlossene Bestand präsentiert sich als archäologische Fundstelle, deren blosse Existenz die Fragestellung der Arbeit motiviert: Wer war Saskia Egloff, was fotografierte sie und weshalb widmete sie einen bedeutenden Teil ihres Lebens der Beschäftigung mit der Kamera? Darüber hinaus widmet sich die Arbeit einem übergeordneten Erkenntnisinteresse: Worin besteht der Quellenwert der Fotografie im Unterschied zur schriftlichen Quelle? Oder anders gesagt: Worüber können Fotografien Auskunft geben und wie sind sie zu befragen?
Der Nachlass
In seiner Gesamtheit dokumentiert der fotografische Nachlass eindrücklich, was Saskia Egloff selbst ihre «Fotolust» nannte: Der Bestand umfasst vermutlich mehrere zehntausend Fotografien und Negative. Diaschachteln, Fototaschen mit Schwarzweisspositiven und Filmrollen mit Negativen sind zu Hunderten auf grosse und kleine Kisten verteilt. Auf diesen Verpackungen oder der Rückseite der Papierabzüge notierte Saskia Egloff Daten, Stichworte und ausführliche Kommentare.
Gemäss ihren Datierungen entstanden die ältesten Aufnahmen 1925 während eines Englandaufenthaltes. Im Laufe der zwanziger Jahre machte Saskia Egloff hauptsächlich Aufnahmen im Familienkreis. In den dreissiger Jahren häufen sich Fotografien, die während Auslandaufenthalten oder in den Skiferien entstanden. Bis dahin handelt es sich ausschliesslich um schwarzweisse Papierabzüge. Ab 1938 kommen farbige Diapositive hinzu – die Motive bleiben im Wesentlichen dieselben. Während des Zweiten Weltkrieges machte Saskia Egloff viele Aufnahmen von Aktionen des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK), von Luftschutzübungen und von Flüchtlingen. Fotografien, die auf Reisen nach Ägypten, Schweden, Griechenland, Japan, Tunesien, Belgien oder Indien entstanden, bewahrte Saskia Egloff zusammen mit Reiseunterlagen wie Tagebüchern oder Prospekten auf. Als vage Schätzung kann gesagt werden, Saskia Egloff habe bis in die späten siebziger Jahre fotografiert. In ihrem Nachlass liegen ausserdem verschiedene Foto- und Filmkameras, Briefe und Briefentwürfe sowie einige Notizhefte und Manuskripte für Diavorträge. Diese dichte Überlieferung von Bild- und Textquellen ist für die Analyse des fotografischen Materials von entscheidender Bedeutung.
Theorie und Methode
Die geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fotografie ist stark geprägt von der Suche nach einem adäquaten Umgang mit einer Quelle, die zu wesentlichen Teilen das Produkt eines technischen Apparates ist. Angesichts der Tatsache, dass fotografische Optiken und lichtempfindliche Emulsionen einen sehr unmittelbaren Einblick in die Vergangenheit zu gewähren scheinen, ist die Methodendiskussion sichtlich darum bemüht, auf den subjektiven Gehalt der zutiefst kulturellen, codierten, gänzlich von menschlichen Entscheidungen abhängigen Gesten (Philippe Dubois) hinzuweisen. Die dichte Überlieferung im Nachlass von Saskia Egloff erlaubt es, in der vorliegenden Arbeit diese Gesten detailliert zu rekonstruieren und zu entschlüsseln. Gegenstand der Analyse bilden zwei Gruppen von Aufnahmen, anhand derer sich ein je unterschiedlicher Umgang mit Fotografien aufzeigen lässt. Zum einen sind dies Dias, die während einer Ägyptenreise im Frühjahr 1939 entstanden und in Kreuzlingen anlässlich eines Diavortrages präsentiert wurden, zum anderen Fotografien, die Saskia Egloff während des Zweiten Weltkrieges in Kreuzlingen aufgenommen und in einem Fotoalbum zusammengestellt hatte. Der Analyse des Diavortrages und des Fotoalbums geht ein biographisches Kapitel voraus, das die «Bühne» der zu untersuchenden Gesten der Fotografin darstellt.
Eine familiäre Bühne
Saskia Egloff, geboren 1902, lebte stets in engem Kontakt zu ihrer Familie. Sie bewohnte bis zu ihrem Tod im Jahr 1994 das Haus ihrer Eltern in Kreuzlingen im Kanton Thurgau. Sie war oft bei den Grosseltern im benachbarten Tägerwilen und bewegte sich in einem bürgerlichen Milieu, dem sie, aufgrund ihrer familiären Herkunft, angehörte. So blieb Saskia Egloff in mancher Hinsicht stets «Frl. Dr. Egloff», die Tochter ihres Vaters, der Arzt war. Sie heiratete nicht, gründete keine eigene Familie, ging nie einer Erwerbsarbeit nach und lebte vom elterlichen Vermögen.
Seit den zwanziger Jahren reiste Saskia Egloff in verschiedene europäische Länder und 1939 nahm sie als einzige ledige Frau an der erwähnten akademischen Ägyptenreise teil. Sie war Mitglied im lokalen Yacht- und Tennisclub und im Winter fuhr sie Ski. Ferner betreute sie zwischen 1940 und 1980 das Sekretariat der lokalen Sektion des SRK und war überzeugt von der offiziellen Optik, wonach die Arbeit der Frauen für das Rote Kreuz im Grunde als Erweiterung ihrer häuslichen Pflichten betrachtet wurde. Ihre bürgerliche Herkunft schränkte Saskia Egloff in den Bereichen Ausbildung und Beruf sowie der Wahl eines Partners stark ein, war aber gleichzeitig die Grundlage eines modernen, mobilen und jenseits dieser Einschränkungen wohl auch selbstbestimmten Lebens.
Ein Lichtbildvortrag
Im Frühjahr 1939 nahm Saskia Egloff an einer mehrwöchigen Rundreise durch Ägypten teil, die von einem akademischen Reiseveranstalter organisiert worden war. Fotografien und Tagebucheinträge, die Saskia Egloff aus Ägypten zurückbrachte, verarbeitete sie zusammen mit den Informationen des Reiseleiters und der Lektüre von Reisebeschreibungen zu einem Diavortrag, den sie im darauf folgenden Winter im Yachtclub in Kreuzlingen hielt.
In Ihrem Nachlass sind das vollständige Manuskript des Vortrages, die Fotografien und die Reisetagebücher überliefert. Die Wahl der fotografierten Sujets spiegelt die Form der Pauschalreise, mit ihrer standardisierten Route entlang der Sehenswürdigkeiten und das akademische Interesse der Reisegesellschaft. Dennoch sind die Fotografien Ausdruck einer Integration von Vorwissen und dem Schauen vor Ort. Für den Diavortrag ordnete Saskia Egloff die Fotografien und Themen in der selben Weise, in der auch ein Lexikonartikel aufgebaut ist, der mit Beschreibungen der Geologie und des Klimas eines Landes beginnt und mit Erläuterungen zu Kunst und Religion aufhört. Saskia Egloff objektivierte ihre Reiseerfahrungen zu einem sehr allgemein gehaltenen Diavortrag über Ägypten, in Anlehnung an eine wissenschaftliche Form der Erzählung. Dies gelingt ihr nicht zuletzt, weil sie sich der Fotografie als eines Mediums bedient, dem seit seiner Erfindung ein hoher Realitätsgehalt zuerkannt wird. Indem sie ihre individuelle Geste des Vortrages auf diesen «Diskurs der Mimesis» (Philippe Dubois) abstützt, beansprucht Saskia Egloff für sich selbst die Position einer Art Forschungsreisenden, die ihr in Form einer akademischen Laufbahn verwehrt blieb.
Ein Fotoalbum
Das vierte Kapitel ist dem Fotoalbum «Kreuzlingen im Zeichen des Kriegsgeschehens» gewidmet. Saskia Egloff dokumentierte darin verschiedene Aktionen des SRK, insbesondere die «Repatriierungen» von Flüchtlingen und Kriegsgefangenen gegen Ende des Krieges. Im Album zeigt sich das private Interesse der Fotografin an Personen des öffentlichen und militärischen Lebens, die sie im Unterschied zur ausgesperrten Presse nur deshalb fotografieren konnte, weil sie selbst für das SRK arbeitete. Mit zahlreichen Portraits der anwesenden internationalen Prominenz, die Saskia Egloff in den Bildlegenden alle beim Namen nannte, inszenierte sie sich selbst als Teil dieser Gesellschaft.
Die selben Fotografien wurden von der Schweizer Illustrierten Zeitschrift (SIZ) verwendet und in einen anderen Sinnzusammenhang gestellt. Die SIZ präsentierte die Aufnahmen als Dokumente der Hilfsbereitschaft eines neutralen und vom Krieg verschonten Landes. Obwohl die Fotografien am selben Ort und von derselben Person aufgenommen wurden, variiert ihre Bedeutung durch die sehr unterschiedlichen Gesten der Präsentation.
Narration
Die einleitend gestellte Frage nach einem adäquaten Umgang mit Fotografien als historische Quellen spitzt sich in der vorliegenden Arbeit im Wesentlichen auf das Problem zu, dass eine Fotografie nicht sagen kann, was sie zeigt (Roland Barthes). Fotografien haben keinen eindeutigen Anfang und kein Ende, die einen Ablauf, einen Gedankengang oder ein Argument umschreiben. Der Fotografie als Momentaufnahme fehlt «jene Verknüpfung, die wir als Narration zu bezeichnen gelernt haben: jene Form beschreibender Erklärung und erklärenden Beschreibens, wie sie offenbar für historische Rekonstruktionen unverzichtbar ist» (Alf Lüdtke). Die fehlende Narration charakterisiert die Fotografie als Quelle. Fotografien schweigen, weil sie Bilder sind, und weil der Konstruktion dieser Bilder ein technischer Prozess zugrunde liegt, der die Intention der Fotografin nicht unmittelbar preisgibt. Im Unterschied etwa zur eng umrissenen Ikonographie der religiösen Malerei, liegt die scheinbar unendliche Bildsprache der fotografischen Massenproduktion des 20. Jahrhunderts noch weitgehend im Dunkeln. Die Narration äussert sich aber als Geste, in den Spuren von Handlungen, die im Wechselspiel von Fotografien und überlieferten Notizen sichtbar werden. Sie findet sich in der Biographie von Saskia Egloff, die jeder einzelnen Fotografie einen Platz in ihrer Lebensgeschichte zuweist. Sie ergibt sich aus jenen Nebenüberlieferungen von Saskia Egloff, die in Form des Vortragsmanuskripts oder der Bildlegenden des Fotoalbums als zu Texten verdichtete Spuren von Handlungen vorliegen.
In diesem Sinne ist es weniger die einzelne Fotografie, sondern der gesamte Nachlass, der als Quelle befragt wird. Und so wie die Biographie der Fotografin die einzelnen Aufnahmen in einen narrativen Zusammenhang stellt, erschliesst sich Saskia Egloffs Leben ausgehend von den fotografischen Gesten, die in ihrem Nachlass überliefert sind.
Der Nachlass
In seiner Gesamtheit dokumentiert der fotografische Nachlass eindrücklich, was Saskia Egloff selbst ihre «Fotolust» nannte: Der Bestand umfasst vermutlich mehrere zehntausend Fotografien und Negative. Diaschachteln, Fototaschen mit Schwarzweisspositiven und Filmrollen mit Negativen sind zu Hunderten auf grosse und kleine Kisten verteilt. Auf diesen Verpackungen oder der Rückseite der Papierabzüge notierte Saskia Egloff Daten, Stichworte und ausführliche Kommentare.
Gemäss ihren Datierungen entstanden die ältesten Aufnahmen 1925 während eines Englandaufenthaltes. Im Laufe der zwanziger Jahre machte Saskia Egloff hauptsächlich Aufnahmen im Familienkreis. In den dreissiger Jahren häufen sich Fotografien, die während Auslandaufenthalten oder in den Skiferien entstanden. Bis dahin handelt es sich ausschliesslich um schwarzweisse Papierabzüge. Ab 1938 kommen farbige Diapositive hinzu – die Motive bleiben im Wesentlichen dieselben. Während des Zweiten Weltkrieges machte Saskia Egloff viele Aufnahmen von Aktionen des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK), von Luftschutzübungen und von Flüchtlingen. Fotografien, die auf Reisen nach Ägypten, Schweden, Griechenland, Japan, Tunesien, Belgien oder Indien entstanden, bewahrte Saskia Egloff zusammen mit Reiseunterlagen wie Tagebüchern oder Prospekten auf. Als vage Schätzung kann gesagt werden, Saskia Egloff habe bis in die späten siebziger Jahre fotografiert. In ihrem Nachlass liegen ausserdem verschiedene Foto- und Filmkameras, Briefe und Briefentwürfe sowie einige Notizhefte und Manuskripte für Diavorträge. Diese dichte Überlieferung von Bild- und Textquellen ist für die Analyse des fotografischen Materials von entscheidender Bedeutung.
Theorie und Methode
Die geschichtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit Fotografie ist stark geprägt von der Suche nach einem adäquaten Umgang mit einer Quelle, die zu wesentlichen Teilen das Produkt eines technischen Apparates ist. Angesichts der Tatsache, dass fotografische Optiken und lichtempfindliche Emulsionen einen sehr unmittelbaren Einblick in die Vergangenheit zu gewähren scheinen, ist die Methodendiskussion sichtlich darum bemüht, auf den subjektiven Gehalt der zutiefst kulturellen, codierten, gänzlich von menschlichen Entscheidungen abhängigen Gesten (Philippe Dubois) hinzuweisen. Die dichte Überlieferung im Nachlass von Saskia Egloff erlaubt es, in der vorliegenden Arbeit diese Gesten detailliert zu rekonstruieren und zu entschlüsseln. Gegenstand der Analyse bilden zwei Gruppen von Aufnahmen, anhand derer sich ein je unterschiedlicher Umgang mit Fotografien aufzeigen lässt. Zum einen sind dies Dias, die während einer Ägyptenreise im Frühjahr 1939 entstanden und in Kreuzlingen anlässlich eines Diavortrages präsentiert wurden, zum anderen Fotografien, die Saskia Egloff während des Zweiten Weltkrieges in Kreuzlingen aufgenommen und in einem Fotoalbum zusammengestellt hatte. Der Analyse des Diavortrages und des Fotoalbums geht ein biographisches Kapitel voraus, das die «Bühne» der zu untersuchenden Gesten der Fotografin darstellt.
Eine familiäre Bühne
Saskia Egloff, geboren 1902, lebte stets in engem Kontakt zu ihrer Familie. Sie bewohnte bis zu ihrem Tod im Jahr 1994 das Haus ihrer Eltern in Kreuzlingen im Kanton Thurgau. Sie war oft bei den Grosseltern im benachbarten Tägerwilen und bewegte sich in einem bürgerlichen Milieu, dem sie, aufgrund ihrer familiären Herkunft, angehörte. So blieb Saskia Egloff in mancher Hinsicht stets «Frl. Dr. Egloff», die Tochter ihres Vaters, der Arzt war. Sie heiratete nicht, gründete keine eigene Familie, ging nie einer Erwerbsarbeit nach und lebte vom elterlichen Vermögen.
Seit den zwanziger Jahren reiste Saskia Egloff in verschiedene europäische Länder und 1939 nahm sie als einzige ledige Frau an der erwähnten akademischen Ägyptenreise teil. Sie war Mitglied im lokalen Yacht- und Tennisclub und im Winter fuhr sie Ski. Ferner betreute sie zwischen 1940 und 1980 das Sekretariat der lokalen Sektion des SRK und war überzeugt von der offiziellen Optik, wonach die Arbeit der Frauen für das Rote Kreuz im Grunde als Erweiterung ihrer häuslichen Pflichten betrachtet wurde. Ihre bürgerliche Herkunft schränkte Saskia Egloff in den Bereichen Ausbildung und Beruf sowie der Wahl eines Partners stark ein, war aber gleichzeitig die Grundlage eines modernen, mobilen und jenseits dieser Einschränkungen wohl auch selbstbestimmten Lebens.
Ein Lichtbildvortrag
Im Frühjahr 1939 nahm Saskia Egloff an einer mehrwöchigen Rundreise durch Ägypten teil, die von einem akademischen Reiseveranstalter organisiert worden war. Fotografien und Tagebucheinträge, die Saskia Egloff aus Ägypten zurückbrachte, verarbeitete sie zusammen mit den Informationen des Reiseleiters und der Lektüre von Reisebeschreibungen zu einem Diavortrag, den sie im darauf folgenden Winter im Yachtclub in Kreuzlingen hielt.
In Ihrem Nachlass sind das vollständige Manuskript des Vortrages, die Fotografien und die Reisetagebücher überliefert. Die Wahl der fotografierten Sujets spiegelt die Form der Pauschalreise, mit ihrer standardisierten Route entlang der Sehenswürdigkeiten und das akademische Interesse der Reisegesellschaft. Dennoch sind die Fotografien Ausdruck einer Integration von Vorwissen und dem Schauen vor Ort. Für den Diavortrag ordnete Saskia Egloff die Fotografien und Themen in der selben Weise, in der auch ein Lexikonartikel aufgebaut ist, der mit Beschreibungen der Geologie und des Klimas eines Landes beginnt und mit Erläuterungen zu Kunst und Religion aufhört. Saskia Egloff objektivierte ihre Reiseerfahrungen zu einem sehr allgemein gehaltenen Diavortrag über Ägypten, in Anlehnung an eine wissenschaftliche Form der Erzählung. Dies gelingt ihr nicht zuletzt, weil sie sich der Fotografie als eines Mediums bedient, dem seit seiner Erfindung ein hoher Realitätsgehalt zuerkannt wird. Indem sie ihre individuelle Geste des Vortrages auf diesen «Diskurs der Mimesis» (Philippe Dubois) abstützt, beansprucht Saskia Egloff für sich selbst die Position einer Art Forschungsreisenden, die ihr in Form einer akademischen Laufbahn verwehrt blieb.
Ein Fotoalbum
Das vierte Kapitel ist dem Fotoalbum «Kreuzlingen im Zeichen des Kriegsgeschehens» gewidmet. Saskia Egloff dokumentierte darin verschiedene Aktionen des SRK, insbesondere die «Repatriierungen» von Flüchtlingen und Kriegsgefangenen gegen Ende des Krieges. Im Album zeigt sich das private Interesse der Fotografin an Personen des öffentlichen und militärischen Lebens, die sie im Unterschied zur ausgesperrten Presse nur deshalb fotografieren konnte, weil sie selbst für das SRK arbeitete. Mit zahlreichen Portraits der anwesenden internationalen Prominenz, die Saskia Egloff in den Bildlegenden alle beim Namen nannte, inszenierte sie sich selbst als Teil dieser Gesellschaft.
Die selben Fotografien wurden von der Schweizer Illustrierten Zeitschrift (SIZ) verwendet und in einen anderen Sinnzusammenhang gestellt. Die SIZ präsentierte die Aufnahmen als Dokumente der Hilfsbereitschaft eines neutralen und vom Krieg verschonten Landes. Obwohl die Fotografien am selben Ort und von derselben Person aufgenommen wurden, variiert ihre Bedeutung durch die sehr unterschiedlichen Gesten der Präsentation.
Narration
Die einleitend gestellte Frage nach einem adäquaten Umgang mit Fotografien als historische Quellen spitzt sich in der vorliegenden Arbeit im Wesentlichen auf das Problem zu, dass eine Fotografie nicht sagen kann, was sie zeigt (Roland Barthes). Fotografien haben keinen eindeutigen Anfang und kein Ende, die einen Ablauf, einen Gedankengang oder ein Argument umschreiben. Der Fotografie als Momentaufnahme fehlt «jene Verknüpfung, die wir als Narration zu bezeichnen gelernt haben: jene Form beschreibender Erklärung und erklärenden Beschreibens, wie sie offenbar für historische Rekonstruktionen unverzichtbar ist» (Alf Lüdtke). Die fehlende Narration charakterisiert die Fotografie als Quelle. Fotografien schweigen, weil sie Bilder sind, und weil der Konstruktion dieser Bilder ein technischer Prozess zugrunde liegt, der die Intention der Fotografin nicht unmittelbar preisgibt. Im Unterschied etwa zur eng umrissenen Ikonographie der religiösen Malerei, liegt die scheinbar unendliche Bildsprache der fotografischen Massenproduktion des 20. Jahrhunderts noch weitgehend im Dunkeln. Die Narration äussert sich aber als Geste, in den Spuren von Handlungen, die im Wechselspiel von Fotografien und überlieferten Notizen sichtbar werden. Sie findet sich in der Biographie von Saskia Egloff, die jeder einzelnen Fotografie einen Platz in ihrer Lebensgeschichte zuweist. Sie ergibt sich aus jenen Nebenüberlieferungen von Saskia Egloff, die in Form des Vortragsmanuskripts oder der Bildlegenden des Fotoalbums als zu Texten verdichtete Spuren von Handlungen vorliegen.
In diesem Sinne ist es weniger die einzelne Fotografie, sondern der gesamte Nachlass, der als Quelle befragt wird. Und so wie die Biographie der Fotografin die einzelnen Aufnahmen in einen narrativen Zusammenhang stellt, erschliesst sich Saskia Egloffs Leben ausgehend von den fotografischen Gesten, die in ihrem Nachlass überliefert sind.
Advisors: | Wecker, Regina |
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Faculties and Departments: | 04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Frauen- und Geschlechtergeschichte (Wecker) |
UniBasel Contributors: | Wecker, Regina |
Item Type: | Thesis |
Thesis Subtype: | Master Thesis |
Thesis no: | UNSPECIFIED |
Thesis status: | Complete |
Last Modified: | 05 Apr 2018 17:37 |
Deposited On: | 06 Feb 2018 11:23 |
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