Entmannung: paradoxe Herstellung von Männlichkeit : Formierung der kriminalpräventiven Kastration und ihre Praxis in Basel zwischen 1935-1960
Date Issued
2015
Author(s)
Imboden, Gabriela
DOI
10.5451/unibas-007105021
Abstract
In der kriminalpräventiven Kastrationspraxis verdichteten sich Widersprüche und Ambivalenzen moderner westlicher Gesellschaften. Ihren Anfang als modern-chirurgischer Eingriff nahm die Kastration im Kontext gesellschaftlicher Transformationsprozesse um 1900 mit der Frage, ob es nicht humaner sei, Menschen zu kastrieren als sie lebenslänglich einzusperren? Verhandelt und formuliert wurden dabei Anforderungen und Zumutungen einer sich herausbildenden Fremd- und Selbstführung, die die Partizipation und Teilhabe an der bürgerlichen Gesellschaft und ihren Freiheiten bildete. Während verschiedene Länder die Kastration von Sexualstraftätern rechtlich regelten, wurde sie in der Schweiz ohne Rechtsgrundlage durchgeführt. Innerhalb bereits bestehender institutioneller und administrativer Strukturen konnte sie in Zusammenarbeit von Psychiatrie und Justiz als Entscheidungsoption formuliert werden. In Basel bildete sich diese Praxis in den 1940er Jahren aus und dauerte bis in die 1960er Jahre an. Im Fokus standen dabei ‚Exhibitionisten’ und ‚Pädophile’. Die Delinquenten, die ansonsten meist als ‚normal’, ‚unauffällig’ und ‚angepasst’ erschienen, wurden im Rahmen des Strafverfahrens einem psychiatrischen Experten übergeben, um die ‚Unerklärbarkeit’ der Delikte zu erklären und mit Sinn zu versehen. Dabei wurden in der psychiatrischen Begutachtung die Abweichung und Distanz der Delinquenz zur Norm einer ‚normalen’ Männlichkeit vermessen und die Delinquenten generell als ‚schwache’, ‚defizitäre’ Männer beurteilt, und deren ‚sexuelle Unfähigkeit’ und ‚Impotenz’ als Ursache der Delikte erklärt. Die psychiatrische Begutachtung wurde zum Ort der Herstellung ‚normaler’ und ‚marginalisierter’ Männlichkeiten. Entsprechend richteten sich die behördlichen und psychiatrischen Bemühungen darauf aus, die Delinquenten zu einer ‚normalen’ sexuellen Selbstführung zu ermächtigen, sie zu ‚normalen’ Männern zu machen. Scheiterte diese Bemühungen, konnten die Delinquenten dem Entscheidungszwang unterworfen werden: Kastration oder Internierung. Mit dem Entscheid zur Kastration konnten sie sich weiterhin als zwar sexuell ‚impotente’, jedoch voraussichtlich deliktfreie ‚normale’ Männer in die Gesellschaft reintegrieren.
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