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Täufertum und Reformation in Bern und im Berner Aargau

Senn, Roland. Täufertum und Reformation in Bern und im Berner Aargau. 2011, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

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Official URL: https://edoc.unibas.ch/60613/

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Abstract

Das Täufertum ist ein umstrittener Forschungsgegenstand. Verschiedene Forschungstraditionen haben sich der Täuferbewegung angenommen und diese unterschiedlich gedeutet. Mit Andrea Strübinds «Eifriger als Zwingli. Die frühe Täuferbewegung in der Schweiz» (Berlin 2003) und Arnold Snyders «The Birth and Evolution of Swiss Anabaptism, 1520-1530» (in Mennonite Quarterly Review 80, 2006, 501-645) hat das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts erneut zwei sich widerstreitende Deutungen der Anfänge der Täuferbewegung ans Licht gebracht. Daneben hat die neue kulturgeschichtliche Forschung neue Fragen an das Täufertum gestellt – unter anderem zur Konstruktion des Täuferbegriffs, zu Kommunikations- und Überlebensstrategien sowie zur sozialen und kulturellen Praxis. Sie hat den Blick über die Konfessionsgrenzen hinweg ausgeweitet, ist so von einer zu isolierten Betrachtung der Täuferbewegung abgerückt und hat damit die Täuferforschung mit neuen Impulsen angereichert. Das Erscheinen des dritten Bandes der «Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz» (Martin Haas (Hg.), Zürich 2008), der die Akten der Kantone Aargau, Bern und Solothurn enthält, legte es daher nahe, die Anfänge der Täuferbewegung in Berns Untertanengebiet, das damals auch den Berner Aargau umfasste, unter Einbezug der neueren Forschung einer erneuten Betrachtung zu unterziehen.
Die Arbeit gliedert sich in die drei Teile 1) «Anfänge und Entwicklung des Täufertum», 2) «Berns Täuferpolitik» und 3) «die Ausbreitung des Täufertums in Berns Hohheitsgebiet: Voraussetzungen und Strategien der Täufer», in denen im Wesentlichen zwei Thesen entwickelt werden. Die erste These betrifft das Verhältnis der frühen Berner Täuferbewegung mit dem Schleitheimer Bekenntnis von 1527, das gemäss der normativen Täuferforschung mit seiner separatistischen und pazifistischen Ekklesiologie den «Kristallisationspunkt» (John H. Yoder) in der Geschichte des Täufertums markiert. Wie in der Arbeit gezeigt wird, lassen sich die frühen Berner Täufer von ihren religiösen Positionen her weder als homogene Gruppe verstehen, noch haben sie von Anfang an einen dezidiert separatistischen oder pazifistischen Standpunkt wie das Schleitheimer Bekenntnis vertreten. Dies lässt sich insbesondere anhand der bedeutendsten beiden Personen der frühen Berner Täufer zeigen: für Hans Seckler, der bis zu seinem Märtyrertod 1529 in der Stadt Bern eine Gemeinde führte, und für Hans Pfistermeyer, zu dessen Predigten die Leute in Solothurn, dem Berner Aargau und den Freien Ämtern zu Beginn der 1530er Jahre bis zu seinem Widerruf 1531 in Scharen strömten. Die zweite These versucht den Erfolg bzw. das Überleben der Berner Täuferbewegung in deren Vernetzung zu verstehen. Obwohl die Täufer religiöse Aussenseiter waren, blieben sie in die sozialen Netzwerke der «früntschaft» und «Nachbarschaft» eingebunden und konnten bei der Verfolgung durch Obrigkeit auf die Unterstützung ihrer nicht-täuferischen Mitmenschen zählen. Zudem waren die Berner Täufer ins religiöse Netzwerk der schweizerischen Täuferbewegung eingebunden, die – im Vergleich zur Schriftkultur der etablierten Reformation – als eine weitgehend oral kommunizierende Bewegung zu verstehen ist, sich vom schweizerischen Mittelland (Biel/Freiburg im Üechtland) bis nach Süddeutschland und ins Tirol erstreckte und entlang der lokalen Gemeinden ein effektives Kommunikationsnetzwerk unterhalten konnte.
Abschliessend wird nach Erfolg und Ausmass der Täuferbewegung in Bern gefragt. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Probleme eingegangen, die sich bei der Beantwortung dieser Frage ergeben. Die Quellenlage erweist sich als lückenhaft, nicht nur weil die Kommunikation zwischen der Obrigkeit und den Amtspersonen oft mündlich erfolgte und viele Quellen nicht erhalten geblieben sind, sondern auch weil es den Täufern immer wieder gelang, sich der Aufmerksamkeit der Obrigkeit zu entziehen. Dies lässt sich insbesondere von den Frauen behaupten, deren Gefahrenpotential die Obrigkeit und die Amtspersonen als wesentlich geringer als dasjenige der Männer einschätzten und jene deswegen nicht mit der gleichen Vehemenz verfolgten.Entsprechend erfahren wir wenig über die Frauen, die sich der Bewegung anschlossen oder mit ihr sympathisierten und können anhand der Quellen bestenfalls erahnen, wie die Täuferbewegung bei den Frauen angekommen ist. Es bleiben also weiterhin einige Frage offen, die sich nicht abschliessend beantworten lassen oder bei denen das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Advisors:von Greyerz, Kaspar
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Geschichte der frühen Neuzeit (von Greyerz)
UniBasel Contributors:Von Greyerz, Kaspar
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Master Thesis
Thesis no:UNSPECIFIED
Thesis status:Complete
Last Modified:05 Apr 2018 17:39
Deposited On:06 Feb 2018 11:29

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