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Arbeitsbeschaffungsmassnahmen des Kantons Solothurn in der Zwischenkriegszeit. Dünnernkorrektion und Passwangstrassenausbau

Huber, Peter R.. Arbeitsbeschaffungsmassnahmen des Kantons Solothurn in der Zwischenkriegszeit. Dünnernkorrektion und Passwangstrassenausbau. 2009, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

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Abstract

Das Thema Arbeitslosigkeit war in der Zwischenkriegszeit ein ständiges und drängendes Thema in den Parlamenten und Regierungsstellen der Schweiz. Die Eidgenossenschaft schüttete zwischen 1918 und 1924 die exorbitante Summe von 146 Mio. Franken an Arbeitslosenunterstützung und 7.6 Mio. Franken an Beiträgen an bestehende Arbeitslosenkassen aus. 1924 endete diese Praxis und die Kantone wurden finanziell vermehrt auf sich selbst gestellt. Die Arbeitslosenzahlen erreichten 1922 ihren Höhepunkt, um dann abzusinken und ab 1929 bis 1936 mehr oder weniger kontinuierlich stark anzusteigen und erst in den Kriegsjahren wieder auf ein tieferes Niveau abzufallen. Eigentliche Konjunkturförderungsprogramme wurden vom Bund in der Zwischenkriegszeit nicht formuliert, jedoch waren Einzelaktionen zur Unterstützung der Arbeitslosen und ihrer Familien auf allen Administrationsebenen gefragt. Die hier vorgestellte Arbeit untersucht die Anstrengungen des Kantons Solothurn und seiner Gemeinden, anstelle von rein finanziellen Unterstützungen, hauptsächlich Arbeit in Form von sog. Notstandsarbeiten zu beschaffen. Zum besseren Verständnis der sich eher auf lokaler und regionaler, denn auf Bundesebene abspielenden Vorgänge der Arbeitsbeschaffung, fügte ich als Hintergrundinformation, Kapitel und Zwischenkapitel ein, die die geographischen Besonderheiten des Kantons Solothurn, aber auch die Lebensgewohnheiten und die wirtschaftliche Befindlichkeit der 1930er Jahre darstellen. Zwei grössere Notstandsarbeiten wurden als zielführende Themenschwerpunkte ausgewählt, anhand derer die politischen Entscheidungswege nachgezeichnet werden konnten und anhand derer man auch erkennen kann, wie die Kantonsregierung und das Kantonsparlament arbeiteten, und mit welchen Schwierigkeiten sie in der Erreichung ihrer Ziele konfrontiert waren.Der Kanton Solothurn wählte jeweils projektabhängig die machbarste Lösung. Er entschied sich meist für die Subventionierung von Einzelprojekten zur Arbeitsbeschaffung. Ein eigentliches kantonales Notstandsarbeiten-Programm wurde erst in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre in Gang gesetzt.In den beiden Arbeitsbeschaffungsmassnahmen Passwangstrassenausbau und Korrektion des Flüsschens Dünnern bestimmte die Kostengrösse den jeweiligen Weg der Finanzierung. PasswangstrassenausbauBeim Ausbau der Passwangstrasse konnte der Investitionsweg herangezogen werden, da es gelang, die Arbeiten in das Durchgangsstrassenbauprogramm einzugliedern. Es musste keine Volksabstimmung durchgeführt werden. Gleichzeitig wurden vom Bund erhebliche Mittel gesprochen, denn der Einsatz von Arbeitslosen erleichterte es dem Bund, die Freigabe von Geldern zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu beschliessen. Nicht unerwähnt darf jedoch bleiben, dass ausser dem Bundesrat auch weitere Bundesstellen ein Interesse daran hatten, dass die Strasse gebaut werden konnte: Das Militär-, das Volkswirtschafts- und das Post-Departement sowie die eidgenössische Inspektion für Forstwesen gaben günstige und befürwortende Urteile über die Nützlichkeit des Projektes ab, was es der Bundesversammlung erleichterte, sich zustimmend zur Subventionierung zu äussern.Charakteristisch für dieses Projekt ist die Initiierung durch Einzelpersonen auf kantonaler, ja sogar regionaler Ebene, die es verstanden, gewisse Bevölkerungskreise zu begeistern und dem Vorhaben Schub zu geben. Allerdings fürchtete sich die Kantonsregierung auf Grund der zu erwartenden hohen Kosten vor einer Volksabstimmung und suchte nach Mitteln und Wegen einer alternativen Finanzierungsart. Trotzdem erhielt das Volk in der Diskussion um die verschiedenen Varianten der Strassenführung erhebliches Gewicht. Die zur Entscheidung herbeigezogenen Experten spielten das Zünglein an der Waage und irrten sich gewaltig in den geologischen Verhältnissen am Passwang. Die Kosten waren um ein Vielfaches höher als budgetiert, und es mussten weitere Bundesmittel eingeschossen werden, um das drohende Defizit auszugleichen. Es stellte sich heraus, dass die Kosten für den Einsatz der Arbeitslosen im Vergleich zu den Endkosten nur einen kleinen Bruchteil ausmachten. Es lässt sich deshalb darüber streiten, ob diese Arbeitsbeschaffungsmassnahme von volkswirtschaftlichem Nutzen war. Dies ist deshalb in Frage zu stellen, als der Ausbau der Strasse längerfristig nicht zu dem erhofften Nutzen geführt hat, denn die Zufahrtswege zur Passwangstrasse sind im Vergleich zu den Pässen Oberer und Unterer Hauenstein lang und umständlich. Der allerdings viel spätere Ausbau des Autobahnnetzes führte zusätzlich zu einer Verminderung des Verkehrs über den Passwang und damit zur Schwächung der Bedeutung des Passes im schweizerischen Strassennetz.
DünnernkorrektionDas zweite Arbeitsbeschaffungsprojekt grösseren Ausmasses, die Dünnernkorrektion, hatte einen anderen Entstehungsweg, der ebenfalls auf Grund der Kostenhöhe entschieden wurde, fast scheiterte und während des Baus wegen der Kosten des Öfteren in Frage gestellt und angegriffen wurde. Technikglaube und die Kunde von erfolgreich durchgeführten Unternehmen zur Zähmung der Natur, veranlasste die Regierung des Kantons Solothurn schon Mitte des 19. Jahrhunderts ein Projekt zur Korrektion der Dünnern in Auftrag zu geben, nachdem die Verordnung von 1809 zur Freihaltung des Flusslaufes von Geröll und Gehölz von den beauftragten Anrainern nicht eingehalten wurde. Das Projekt scheiterte und wurde nach verschiedenen erneuten Anläufen 1932 mit dem Argument der Bodenverbesserung und zum Teil in der Absicht Landwirtschaftsland zu gewinnen, dem Volk zur Abstimmung vorgelegt, aber hier, im Gegensatz zum Passwangprojekt, stand der Aspekt der Arbeitsbeschaffung gewichtig im Hintergrund. Es gilt allerdings einzuschränken, dass auf kantonaler Ebene wohl tatsächlich das Arbeitslosenproblem entscheidend eingebracht wurde. Auf lokaler Ebene jedoch, damit sind die Anrainergemeinden und die Grundeigentümer mit Anstoss an das Gewässer gemeint, machte sich die Angst breit, finanziell stark, ja Existenz bedrohend, belastet zu werden. Die Volksmeinung äusserte sich in Versammlungen und in Einsprachen gegen die Höhe der Perimeterbeiträge, die nur durch das Versprechen der Regierung, Wege zu finden, wie die Lasten zeitlich besser zu verteilen seien, bis auf einige wenige, zurückgezogen wurden. Dieser Widerstand gegen zu hohe Belastung durch die Anlieger und die Interessen der Solothurner Arbeiterschaft, fand in beiden Lagern seine Wortführer, die beide das Plenum des Kantonsrats wählten, um ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen und politisches Kapital daraus zu schlagen. Die Grundbesitzer einerseits, vertreten durch die rechtsliberalen Freisinnigen und die Solothurner Volkspartei, hatten dabei die eigenen Besitzinteressen im Auge, die Arbeitervertreter andererseits, versuchten ihr politisches Süppchen zu kochen, indem sie z.B. versuchten den Einsatz von Baggermaschinen zu verhindern. Man spürt hier deutlich, die Angst vor der Mechanisierung und vor der Beschleunigung des Arbeitsprozesses als Gesamtes und der Beschleunigung durch Akkordarbeit, als Alternative zum Maschineneinsatz. Ein Blick in die Abstimmungsresultate zu den Dünnernvorlagen von 1930 und 1932 spiegelt die Geographie des Kantons wider. Der ländliche Norden des Kantons, unberührt von den Hochwassern der Dünnern, demonstrierte gerne seine Ferne von der Hauptstadt und zeigte dem Süden die kalte Schulter. Der ländliche Bezirk im südlichen Kantonsteil (Bucheggberg), ferne von der Dünnern und ferne von Solothurn verhielt sich ähnlich zurückhaltend oder gar ablehnend. Ein Projekt von dieser Grössenordnung, immerhin 8 Millionen Franken, würde heute Naturschützer auf den Plan rufen, um ihr Mitspracherecht geltend zu machen. Die Korrektionsbestrebungen der 1930er Jahre verzeichneten keine derartigen Reaktionen. Vielmehr drangen diejenigen, die versuchten Naturschutz zu betreiben, indem sie nur kleine lokale Korrekturen am Flusslauf einforderten, um gleichzeitig die Idylle der Flusslandschaft zu erhalten, in den Kantonsratsdebatten nicht durch. Der konstruiert wirkende Flusslauf zeigt dies heute eindrücklich. Die einzige Konzession an den Naturschutz war die Bepflanzung der Uferböschungen, die aber erst nach dem zweiten Weltkrieg in die Wege geleitet wurde.Die abschliessende Frage, was die Dünnernkorrektion dem Kanton langfristig gebracht hat, ist so zu beantworten, dass der heutige Reisende die Antwort sichtbar vor Augen hat. Die Dünnern ist, wie einst der Rhein, in ein Prokrustesbett eingelegt worden: Zeitweise schnurgerade mit nur wenigen Krümmungen und in einen Kanal eingebettet, fliesst das Wasser auch bei starken Regenfällen und Schneeschmelze von Oensingen durch die Ebene, gesäumt durch einen schamhaften Gebüschrand. Flaches und gut zu bearbeitendes Ackerland erhielten die Bauern durch die Melioration, und deren Nachfahren können das Land heute den Verteilzentren, Kleinindustrien und für die Autobahn gegen gutes Geld wieder weiterverkaufen. Siebzig Jahre nach der Melioration der Region durch den Einsatz von Arbeitslosen, in der Absicht gutes Landwirtschaftsland zu gewinnen und vor Überschwemmungen zu schützen, ist eine neue Aera angebrochen, das Dienstleistungszeitalter, das das mühsam gewonnene Land wieder zerstört. Unter Berücksichtigung der für den Kanton Solothurn sehr grossen Zahlen von Ganz- und Teilarbeitslosen waren es, über die lange Zeit betrachtet, eine relativ kleine Zahl von Männern (ca. 400, anstelle der erhofften 600-800 Arbeiter), die aus diesen beiden Arbeitsbeschaffungsmassnahmen Nutzen ziehen konnten. Andere kleinere Bauprojekte auch im Hochbau, die Bereitstellung der Produktionsmittel durch das lokale Gewerbe, die Organisation der amtlichen Hilfe, die Senkung der Preise werden das Ihrige dazu beigetragen haben, dass weitere Arbeitslose, mindestens zeitweise Lohn statt Arbeitslosengeld beziehen konnten. Die erst 1927 eingeführte obligatorische Arbeitslosenversicherung trug dabei die Hauptlast. Es mag erstaunen, dass diese wirtschaftliche und soziale Extremsituation zu keinen, von kleineren Demonstrationen abgesehen, Ausbrüchen des Volkszorns geführt hat. Die Verteilung der Wirtschaftsschwerpunkte auf kleine regionale Zentren, die trotz grossen Anstrengungen noch immer nicht optimal ausgebauten Verkehrswege, und die trotz des hohen Industrialisierungsgrades doch noch sehr ländliche Infrastruktur, haben dazu beigetragen, dass der Landfriede bewahrt werden konnte. Die drei politischen Fraktionen und ihre Anhänger stritten sich im Verlauf jeweils wortreich und nicht immer zimperlich, liessen die Situation aber nie so weit eskalieren, dass eine Störung der öffentlichen Ruhe sich an den beiden Projekten entzündet hätte.Es ist jedoch auffallend, wie lokalpolitische Interessen zuweilen stark verzögernd auf die geplanten Projekte einwirkten und damit die dringend notwendige Schaffung von Notarbeitsplätzen nur verzögert in Angriff genommen werden konnten. Regional-, partei- und beschäftigungspolitische Überlegungen und Emotionen werden aus den Abstimmungsresultaten über kantonale Vorlagen zur Unterstützung der Arbeitslosen erkennbar.
Advisors:Mooser, Josef
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Neuere Allgemeine Geschichte (Mooser)
UniBasel Contributors:Mooser, Josef
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Master Thesis
Thesis no:UNSPECIFIED
Thesis status:Complete
Last Modified:05 Apr 2018 17:38
Deposited On:06 Feb 2018 11:25

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