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Fragmente einer jüdischen Lebens- und Wirtschaftsgeschichte: Die Gebrüder Lang – Vom Tuchhandel zur Grossen Französischen Warenhalle

Bhend, Angela. Fragmente einer jüdischen Lebens- und Wirtschaftsgeschichte: Die Gebrüder Lang – Vom Tuchhandel zur Grossen Französischen Warenhalle. 2010, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

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Official URL: https://edoc.unibas.ch/59948/

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Abstract

Die Entwicklung der «Grossen Französischen Warenhalle» ist ein faszinierendes Kapitel jüdischer Lebens- und Wirtschaftsgeschichte. Deren Begründer – die Gebrüder Jacques, Raphael und Benoit Lang – wurden zwischen 1829 und 1833 im elsässischen Sierentz geboren. In Ihrem Werdegang, der von Aufstieg, neuen Geschäftspraktiken und Wohlstand ebenso erzählt wie von Not, Niedergang und Antisemitismus, spiegeln sich die gesellschaftlichen Verhältnisse und Strömungen in der Schweiz des 19. und 20. Jahrhunderts in kondensierter und – teilweise – verstärkter Form.
Die Arbeit gliedert sich in vier Teile. Im ersten Teil wird die Geschichte des Warenhauses behandelt. Darin aufgezeigt wird die Entstehung von Warenhäusern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die damit verbundenen Neuheiten in der Kalkulation, der Preisgestaltung und im Angebot. Überdies werden deutsche und französische Warenhäuser miteinander verglichen und die ersten Gründungen in der Schweiz gegen Ende des 19. Jahrhunderts kurz erörtert.
Der zweite Teil ist der jüdischen Familie Lang gewidmet. Die Vorfahren stammten aus Rappoltsweiler im Oberelsass. Durch Heirat gelangte die Familie nach Sierentz im Sundgau. Ende des 18. Jahrhunderts war die Familie Lang gut etabliert. Tätig war sie zunächst als Hausierer, im Detailhandel für Eisenwaren und Werkzeuge und als Viehhändler. Der Immobilienhändler Joseph Lang (1803-1838) heiratete 1828 Caroline Kheila Bernheim (1802-1889). Der Ehe entsprangen fünf Kinder, ein weiteres entstammte der zweiten Ehe Caroline Bernheims mit Maurice Moise Guth (1806-1885). Das Leben dieser Familie gestaltete sich schwierig und war von Armut überschattet. Die Söhne mussten so früh wie möglich aus dem Haus gehen und sich selbst versorgen. Auf ihren Lebenswegen hatten die Brüder offenbar Kontakte geknüpft, die sie ermutigten, einen Tuchhandel zu eröffnen. Deshalb gründeten die drei ältesten – vermutlich noch in Sierentz – 1858 das «Haus der Gebrüder Lang».
Der dritte Teil setzt sich mit der Etablierung des «Haus der Gebrüder Lang» in der Schweiz auseinander. Die Wahl der Niederlassung der drei Franzosen fällt zunächst auf Glarus (ca. 1863), was angesichts der spärlichen Quellen nicht eindeutig und schwierig zu klären ist. Jedenfalls eröffnen sie dort ein Tuch- und Schneidergeschäft und inserieren mit intensiver Werbung in der lokalen Zeitung für ihre Pariser Mode. Spätere Warenhausstrategien kündigen sich schon an – grosses Sortiment zu kleinen Preisen.
Der geschäftliche Aufschwung erlaubte den Brüdern auch die Heirat: Schon 1861 hatte Jacques Rosa Dreifuss aus Mulhouse geheiratet, 1865 verehelichte sich Raphael mit Rosalie Bloch aus Bern und 1871 Benoit mit Regine Reikele Dreifuss aus Oberendingen.
Ab den 1870er Jahren führte der Weg eines Familienzweigs ins aargauische Baden, wofür die Anwesenheit einer jüdischen Gemeinde, die Verkehrsanbindung und weiteres mehr gesprochen haben dürfte. Diese Periode wird mit dem Nachrücken der nächsten Generation abgeschlossen. Gleichzeitig entsteht 1871 mit der Gründung der «Französischen Warenhalle» in Zürich ein neues, erweitertes Unternehmen, mit dem sich der vierte Teil der Arbeit befasst. Es ist die grosse Zeit in der Familiengeschichte, die überdies mit der IRG verknüpft wird – die Zeit der «Grossen Französischen Warenhalle», in deren Namen sich die Orientierung an der französischen Mode kundtat.
1901 ging die Firma in den alleinigen Besitz von Max und Camille, Söhne von Benoit Lang, über. Eine Zäsur stellte der Brand von 1917 dar, bei dem das gesamte Familienunternehmen vollständig niederbrannte und der eines der «gefährlichsten Grossfeuer» war, das Zürich je erlebt haben soll (gemäss zeitgenössischen Quellen). Die Gebrüder Lang verzichten auf einen Wiederaufbau und erst mit dem Erwerb der «alten Seidenpost» kann die Französische Warenhalle wieder im grossen Stil eröffnen. 1924 verkauft Camille Lang seinen Anteil und Max Lang führt die Firma alleine weiter.
1937 wird das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und trägt von da an den Namen Frawa AG. In diese Zeit fallen auch die antijüdischen Hetzkampagnen der Nationalen Front und das Unternehmen muss mit verstärktem Antisemitismus kämpfen. Zusammen mit dem Warenhaus Brann und Epa gelangt die Frawa in die Schusslinie verbaler Attacken von judenfeindlichen Kreisen. 1936 unternehmen Frontisten einen Tränengasanschlag auf die Französische Warenhalle.
Während des Zweiten Weltkrieges stagnierte die Frawa. In diesen Jahren übernahm Max Langs Sohn René die Geschäftsleitung. Er erneuerte das Angebotsspektrum, und in der Nachkriegszeit konnte auch die Frawa vom allgemeinen Aufschwung und der Entwicklung des Massenkonsums profitieren. 1969 fusionierte das Unternehmen mit seinem langjährigen Geschäftspartner zur Frawa-Contis AG, die zahlreiche Filialen in der Schweiz hatte. 1970 konnte ein wesentlich vergrösserter Bau des Zürcher Modehauses eröffnet werden, verbunden mit einem erneut erweiterten Sortiment, das nun den endgültigen Wandel vom entschwundenen Stil der «Grand Nation» zum «American Way of Life» spiegelt. 1977 endet die Geschichte der Frawa mit dem Verkauf an den ausländischen Warenhausgigant C&A.
Advisors:Haumann, Heiko
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Osteuropäische und neuere Geschichte (Haumann)
UniBasel Contributors:Haumann, Heiko
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Master Thesis
Thesis no:UNSPECIFIED
Thesis status:Complete
Last Modified:05 Apr 2018 17:36
Deposited On:06 Feb 2018 11:23

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