edoc

Die Samen der Kola-Halbinsel. Über das Leben einer ethnischen Minderheit in der Sowjetunion: Neue Perspektiven durch mündliche Selbstzeugnisse

Allemann, Lukas. Die Samen der Kola-Halbinsel. Über das Leben einer ethnischen Minderheit in der Sowjetunion: Neue Perspektiven durch mündliche Selbstzeugnisse. 2009, Master Thesis, University of Basel, Faculty of Humanities and Social Sciences.

Full text not available from this repository.

Official URL: https://edoc.unibas.ch/59891/

Downloads: Statistics Overview

Abstract

Die Studie von Lukas Allemann widmet sich der jüngeren Geschichte des auf sowjetischem bzw. russischem Territorium lebenden Teils der Samen (auch «Lappen» genannt). Diese Gruppierung der – je nach Zählweise – zwischen 30'000 und 70'000 Menschen zählenden Ethnie, deren Untergruppen sich deutlich auseinanderentwickelt haben und auf vier verschiedenen Staatsgebieten siedeln, lebt auf der Halbinsel Kola. Nach der forcierten Besiedlungs- und Modernisierungspolitik der Sowjetzeit, machten die gut 1'600 Personen zählenden Samen auf der Kola-Halbinsel schon in den achtziger Jahren noch gerade 0,15% der Bevölkerung aus. Ihre Sprache ist heute vom Aussterben bedroht. Als Minderheitenethnie mit eigener Kultur, Lebensweise und Sprache und als Teil der Nordvölker in der Sowjetunion waren die Samen in besonderer Weise politischen Entwicklungen in der Sowjetunion ausgesetzt.
Samischer Rentierhirte in der Tundra, 1960er Jahre.Mit seiner Arbeit trägt Lukas Allemann zur Schliessung einer Forschungslücke bei. Der Autor legt seinen Schwerpunkt auf die noch kaum erforschte Periode zwischen Kriegsende 1945 und Beginn der Perestrojka. Grundlage seiner Arbeit bilden biographische Interviews mit fünf samischen Frauen, die er zwischen 2006 und 2008 durchführen konnte. Von ihnen geht er aus, um die Lebenswelt der Menschen in ihren strukturellen Zusammenhängen zu erschliessen. Ergänzt werden die Selbstzeugnisse durch die Auswertung der einschlägigen Literatur.Bei allen Unterschieden, Widersprüchen und voneinander abweichenden Beurteilungen der Sowjetzeit zeichnet sich ab, dass – entgegen der verbreiteten Ansicht in der Sekundärliteratur – weder der Terror der Stalinzeit noch die Kollektivierung an sich, sondern vor allem die Zwangsumsiedlungen zwischen den 1930er und 70er Jahren den tiefsten Einschnitt in das Leben der Samen darstellten. Diese fanden aus verschiedenen Gründen statt: Aufgrund der Kollektivierung, aber auch aus militärischen sowie industriepolitischen Gründen wurden zahlreiche samische Siedlungen als perspektivlos erklärt und ‚liquidiert‘. An den neuen Wohnorten wurden die Umgesiedelten nur ungenügend sozialisiert: Faktische Erwerbslosigkeit – obwohl es diese offiziell in der UdSSR nicht gab und diese als Straftat geahndet wurde –, Kriminalität, Alkoholismus und Selbstmorde waren (und sind) die Folgen dieser Umsiedlungspolitik.Relativiert wird in der Studie aber auch die Auffassung, erst die Sowjetherrschaft habe die samische Kultur zerstört. Anfänge der Russifizierung und der Umwandlung der Rentierzucht setzten bereits vor der Oktoberrevolution ein.Aufschlussreich ist auch die Perspektive auf das alte, grosse Problem des russisch-sowjetischen Umgangs mit ethnischer Differenz zwischen Anerkennung im Selbstverständnis des Vielvölkerstaates und faktischem Anpassungsdruck. Die Interviews zeigen den ‚Modernisierungsprozess‘ in seiner Ambivalenz, die über die politische Planung des Zentrums weit hinausgeht. Zu diesen Bereichen gehört auch das Bildungssystem (Internate), mit dem das Schicksal einer halbnomadischen Existenzweise verknüpft ist. Dabei wird deutlich, dass auch eine Aussenperspektive, die nur auf Erhaltung traditioneller Lebensformen ausgerichtet ist, gegenüber den Interessen der Kulturträger selbst zu kurz greifen kann.
Aus Prof. Haumanns Vorwort zum Buch:Lukas Allemann ist ein neuer Blick auf das Leben der Samen gelungen. Beispielhaft wird an dieser zahlenmässig kleinen Bevölkerungsgruppe deutlich, wie es sich rächt, wenn auf die Lebenswelt der Menschen keine Rücksicht genommen wird. Am Schicksal der fünf Frauen und ihrer Umgebung können wir nachvollziehen, wie ihr Alltag aussah und wie sie mit den grundlegenden Veränderungen in ihrem Leben umgingen. Es wäre schön, wenn Lukas Allemanns vorbildliche Studie vergleichbare Forschungen anregen könnte. Ihr sind zahlreiche Leserinnen und Leser zu wünschen.Die Studie ist beim Peter Lang Verlag innerhalb der Reihe Menschen und Strukturen erschienen:Allemann, LukasDie Samen der Kola-HalbinselÜber das Leben einer ethnischen Minderheit in der SowjetunionFrankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien, 2010. 130 S., zahlr. Abb. und Tab.Menschen und Strukturen, Historisch-sozialwissenschaftliche Studien Vol. 18Edited by Haumann HeikoISBN 978-3-631-61201-9Schülerinnen der «Schulfakultät der Völker des hohen Nordens» in Leningrad. Auf dem Foto sind Kinder folgender Ethnien zu sehen: Nenzen, Burjaten, Tschuktschen und Samen (ca. 1955).
Advisors:Haumann, Heiko
Faculties and Departments:04 Faculty of Humanities and Social Sciences > Departement Geschichte > Ehemalige Einheiten Geschichte > Osteuropäische und neuere Geschichte (Haumann)
UniBasel Contributors:Haumann, Heiko
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Master Thesis
Thesis no:UNSPECIFIED
Thesis status:Complete
Last Modified:05 Apr 2018 17:36
Deposited On:06 Feb 2018 11:22

Repository Staff Only: item control page