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Die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Rahmen der Verfahrenswiederaufnahme nach rechtskräftiger Verurteilung. Zugleich eine Besprechung des Urteils des Bundesgerichts der Schweiz 6B_896/2014 vom 16. Dezember 2015 unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten

Merkel, Grischa. (2016) Die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Rahmen der Verfahrenswiederaufnahme nach rechtskräftiger Verurteilung. Zugleich eine Besprechung des Urteils des Bundesgerichts der Schweiz 6B_896/2014 vom 16. Dezember 2015 unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten. Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik, 11 (11). pp. 788-796.

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Abstract

Rückwirkende Anordnungen und nachträgliche Verlängerungen der Sicherungsverwahrung in Deutschland wurden vom EGMR wegen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK als völkerrechtswidrig beanstandet, weil sie keinen hinreichenden Zusammenhang mit dem Schuldurteil aufweisen. In der Schweiz wurde mit Bundesgesetz vom 24. März 2006 eine andere rechtliche Möglichkeit geschaffen, befristete Freiheitsstrafen „flexibel“ zu gestalten. Eine potentiell unbefristete Sicherungsverwahrung für vermeintlich besonders gefährliche Straftäter soll danach im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens angeordnet werden können. Darauf gestützt, hat das Bundesgericht der Schweiz am 16. Dezember 2015 die Anordnung einer potentiell unbefristeten Sicherungsverwahrung nach 20-jährigem Haftvollzug für völkerrechtskonform befunden. Nach Einschätzung des Gerichts wird „die nachträgliche Verwahrung […] Teil des ursprünglichen Urteils und steht damit in hinreichendem Zusammenhang mit der darin enthaltenen strafrechtlichen Verurteilung.“ Das allein wäre Anlass genug für eine kritische Würdigung. Hinzu kommt jedoch, dass es zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verurteilung vor über 20 Jahren weder eine explizite Regelung zur nachträglichen Anordnung der Verwahrung im Strafgesetzbuch der Schweiz (SchwStGB) gegeben hat noch die heutige bundesrechtliche Vorschrift zur Wiederaufnahme eines Verfahrens zu Lasten eines Verurteilten in der schweizerischen Strafprozessordnung (SchwStPO). Vor diesem Hintergrund erscheint die Beachtung internationaler Rechtsprinzipien wie des Rückwirkungs- und Doppelbestrafungsverbots, die sich sowohl im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR, dort Art. 15 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 7) als auch in der EMRK (dort Art. 7 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 1 des Zusatzprotokolls Nr. 7) finden, besonders zweifelhaft und entsprechend diskussionswürdig.
Faculties and Departments:02 Faculty of Law > Departement Rechtswissenschaften > Ehemalige Einheiten Rechtswissenschaften > Assistenzprofessur Ethik und Recht (Merkel)
UniBasel Contributors:Merkel, Grischa
Item Type:Article, refereed
Article Subtype:Research Article
ISSN:1863-6470
Note:Publication type according to Uni Basel Research Database: Journal article
Last Modified:30 Oct 2018 14:01
Deposited On:30 Oct 2018 14:01

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