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Das Arbeiten und die Arzneiformen in der Magistralrezeptur : Untersuchung der Veränderungen in der Magistralrezeptur von der Hochblüte des mittleren 19. bis ins anfängliche 21. Jahrhundert unter Einbezug der Rezeptkopierbuch-Reihe der Hirsch-Apotheke, Solothurn, 1884-2004, als Quelle

Hirter-Trüb, Ursula. Das Arbeiten und die Arzneiformen in der Magistralrezeptur : Untersuchung der Veränderungen in der Magistralrezeptur von der Hochblüte des mittleren 19. bis ins anfängliche 21. Jahrhundert unter Einbezug der Rezeptkopierbuch-Reihe der Hirsch-Apotheke, Solothurn, 1884-2004, als Quelle. 2011, Doctoral Thesis, University of Basel, Faculty of Science.

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Official URL: http://edoc.unibas.ch/diss/DissB_9469

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Abstract

Die Magistralrezeptur, d.h. das frische Herstellen von Arzneien auf Rezept des Arztes durch den Apotheker, war bis ins mittlere 20. Jahrhundert die gängigste Art, Arzneimittel zu verordnen. Seit dem hat die Magistralrezeptur stark an Bedeutung verloren. Wie sah ein Rezepturalltag im 19. Jahrhundert einer Deutschschweizer Apotheke aus; wie beeinflusste diese Rezeptur den Apothekenbetrieb? Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen wurde als Quelle die Rezeptkopierbuch-Reihe der Hirsch-Apotheke, 1884-2004, aus Solothurn verwendet. Die Suche nach einer lückenlosen Quelle führte dazu, dass Geschichte, gesetzliche Grundlagen und Verwendung des Rezeptkopierbuchs (RKB) bearbeitet wurden. Die erste Erwähnung eines dem RKB ähnlichen Instruments wurde im Apothekereid von Regensburg 1456 aufgefunden; in der Schweiz wurde in der Stadt Bern 1661 eine erste Erwähnung eruiert. Der Aargau führte 1804 als erster Kanton dieses Kontrollinstrument ein, der letzte Kanton war 1997 Baselland. Diese Dissertation beinhaltet zudem eine Abhandlung über die Rezeptierkunde, der Lehre des Rezepteverfassens im 19. Jh.
‹Magistralrezeptur› erscheint als Begriff in der Schweiz erstmals 1955 in einem Artikel der Schweizer Apotheker Zeitung und kann grob demjenigen der ‹Rezeptur› gleichgestellt werden, wobei die ‹Rezeptur› zudem noch der Ort der Herstellung in der Apotheke sein kann. Der ‹Magistralrezeptur› konnten fünf verschiedene Deutungen zugewiesen werden: die ärztliche Verschreibung (1) einer in der Apotheke ad-hoc bzw. frisch (2) herzustellenden Arznei, die Herstellung nach standardisierten (3) Rezeptformeln, die hergestellte Arznei als Produkt (4) und die Zusammensetzung einer Arznei (5).
Die Untersuchung an den Verordnungen (VO) der RKB aus Solothurn wurde unter zwei Aspekten durchgeführt: Erstens wurde der Frage des Ursprungs der ärztlichen Rezepturen (bei 9‘246VO) nachgegangen: waren sie individuell zusammengestellt (Magistralformeln), Offizinalformeln aus Pharmacopöen, typisch lokale Solothurner- oder punktuell modische Rezepturen, aus Schweizer Rezeptsammlungen, Spezialitäten, Generika- oder homöopathische VO? Je individueller eine Rezeptur ist, umso mehr Arbeit ruft diese in der Rezeptur hervor, denn bei sich repetierenden VO können vorbereitete Zwischenprodukte die ad-hoc Rezeptur entlasten. In den 25 untersuchten Datenperioden (DP) sind die individuellen VO mit 43% die Arbeitsgeneratoren in der Rezeptur (DP1884→1934: 80→58%), die Ablösung durch die Spezialitäten ist mit 35% (DP1954→1994: 62→98%) offensichtlich. Homöopathische Arzneimittel wurden vor allem zwischen DP1939 und DP1949 (±25%) beobachtet. Zweitens wurden die verschriebenen Arzneiformen analysiert, welche massgeblich die Arbeit in der Rezeptur bestimmten; beispielsweise ist das Herstellen von Pillen arbeitsintensiver als das Mischen von Kräutern. 5‘303 Magistralrezepturen wurden mittels 11 Hauptgruppen mit 59 Formulierungen (F.) untersucht. Die Hauptgruppe der flüssigen Mischungen ist mit 28% am meisten verschrieben worden, wobei die F. für die löffelweise Einnahme (beispielsweise Sirupe) den Ärzten als Darreichungsform am dienlichsten schien. Weitere beliebte Arzneiformen waren: Lösungen (F. der löffelweisen Einnahme), Teemischungen (F. der abgeteilten Species) und Konvoluten (F. der papierenen und gewachsten Kapseln). Spezielle Arzneiformen wie Suppositorien, Ovula oder Pflaster wurden kaum verordnet.
Welchen Einfluss auf den Apothekenbetrieb hatte das tägliche Bearbeiten von 100 Magistralrezepturen im ausgehenden 19. Jahrhundert? Wie wurde dazumal die Beschaffungskette organisiert? Wie viele Rezeptare arbeiteten, wie lange pro Tag? In Solothurn arbeiteten um die Jahrhundertwende gleichzeitig 3-4 Rezeptare, mit kurzen Pausen von 7-22Uhr, sieben Tage pro Woche. Im Labor bereitete der Defektar die zugekauften Rohmaterialien zu Zwischenprodukten auf (z.B. Zerkleinern, Pulverisieren, Perkolieren, galenische Präparate); 30kg pro Ansatz waren dabei üblich. Mit der Industrialisierung übernahmen Fabriken diese Arbeiten und boten immer mehr Spezialitäten an, welche Ärzte immer mehr verschrieben. Heute werden durchschnittlich 6 Rezepturen/Woche in der Apotheke hergestellt.
Abschliessend wird festgestellt, dass in der Schweiz diejenigen Apotheker, welche noch nach den Pharmacopöen Quinta (1933) oder Sexta (1972) ihr Handwerk erlernten, in Pension gehen. Damit verschwinden der handwerkliche Apotheker, sein Kunstfertigkeit und das dazugehörende Wissen.
Die Arbeit schliesst mit einem zehnseitigen Glossar zu Begriffen der Magistralrezeptur gestern und heute ab.
Advisors:Kessler, Michael
Committee Members:Leuenberger, Hans and Guentert, Theodor Walter
Faculties and Departments:05 Faculty of Science > Departement Pharmazeutische Wissenschaften > Pharmazie
UniBasel Contributors:Kessler, Michael
Item Type:Thesis
Thesis Subtype:Doctoral Thesis
Thesis no:9469
Thesis status:Complete
Number of Pages:199 S.
Language:German
Identification Number:
edoc DOI:
Last Modified:22 Jan 2018 15:51
Deposited On:10 Jun 2011 07:24

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